Cowboys und Indianer haben frei
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe 2-2021 des KINDgerecht-Magazins für frühkindliche Bildung erschienen.
Ob Fasching oder Karneval – alle wollen sich verkleiden, Spaß haben – aber niemanden dabei persönlich verletzen. Wie das in Kindertageseinrichtungen gut gelingen kann, erklärt Domenica Licciardi, Fachberaterin bei FRÖBEL aus der Karnevalsmetropole Köln.
Sie sind Fachberaterin im „Bundesland des Karnevals“ – wie handhaben die FRÖBEL- Kindergärten, die Sie betreuen, den Umgang mit Kostümen in der „jecken Zeit“?
Für uns ist ein kultursensibles, vorurteilsbewusstes Miteinander und ein wertschätzender Umgang mit Vielfalt das ganze Jahr Thema – Innerhalb der Teams und in der Zusammenarbeit mit den Familien. Der Auftrag von pädagogischen Fachkräften ist, das eigene Verhalten kontinuierlich zu reflektieren und an der eigenen Haltung zu arbeiten, ob im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, den regelmäßigen Teamsitzungen oder im Rahmen von Fortbildungen. Schließlich passiert Diskriminierung nicht nur in der Karnevalszeit – und auch nicht nur durch bestimmte Kostüme.
Wo ziehen Sie persönlich die Grenze von Kostümierung, wo fangen für Sie Rassismus, Gewaltverherrlichung oder eine ungute Reproduktion von Stereotypen an?
Das ist absolut kein einfaches Thema, daher gibt es darauf leider auch keine einfachen Antworten. Ich persönlich mag zum Beispiel keine Spielzeugwaffen und lehne die Imitation ethnischer körperlicher Merkmale, zum Bespiel in Form von „Blackfacing“, ab. Das hat immer etwas Karikierendes. Auch Kostümierungen, die Mädchen oder Frauen in bewusst lächerlicher Weise darstellen, mag ich persönlich nicht. Je bunter und diverser die Gesellschaft wird, desto mehr Sensibilität ist für ein diskriminierungsfreies und friedliches Zusammenleben erforderlich – und desto leichter kann man im Umkehrschluss jemanden ganz persönlich verletzen. Dessen sollte man sich besonders als pädagogische Fachkraft oder Lehrkraft immer bewusst sein.
Wie können Pädagoginnen und Pädagogen mit – sagen wir – „Dissonanzen“ in der Praxis umgehen?
Wichtig ist, aufmerksam zu sein, gut zu beobachten, die Gefühle der Kinder ernst zu nehmen und Zeit in eine gute Beziehung zu den Familien zu investieren. Dann kann man auch schwierige Themen vertrauensvoll und konstruktiv besprechen. Kein Kind und kein Elternteil soll sich aufgrund eines „falschen Kostüms“ bloßgestellt fühlen. Es steckt ja hinter Kostümierungen in aller Regel keine diskriminierende Absicht. Viele kostengünstige Kostüme in Kaufhäusern bedienen aber klassische Stereotype.
Im Sinne von Armutssensibilität und Nachhaltigkeit könnte eine Einrichtung sich auch entscheiden, Kostüme mit den Kindern selbst zu basteln und durch Stücke aus der Verkleidungskiste im Kindergarten oder von zu Hause zu vervollständigen. Kinder haben schließlich eine schier grenzenlose Fantasie.
Welche Tipps haben Sie für Kindergärten und Schulen, wie sie gewaltfrei, kultursensibel und vor allem mit viel Spaß Karneval feiern können?
In erster Linie soll Fasching Spaß machen. Hilfreich ist sicherlich, im Team eine klare Haltung zu entwickeln und diese den Familien gegenüber transparent zu machen. Welche Regeln gelten für das Mitbringen bestimmter Spielzeuge oder Maskierungen im Alltag, wo gelten im Fasching Ausnahmen? Grundsätzlich sind Kostümierungen als Persönlichkeit oder Held einer Verkleidung als Angehörige einer diskriminierten Minderheit vorzuziehen. Warum also nicht als Pocahontas oder Yakari statt als „Indianer“ zur Faschingsfeier gehen? Gern nehmen die Kinder auch Themenfeste an wie „Märchen“, „Obstkorb“ oder „Tiere des Waldes“. Folgt man dem rheinischen Motto „Jeder Jeck ist anders“, ist der Karneval doch eine wunderbare Gelegenheit, Kindheitsträume zu leben und sich in diverse Rollen auszuprobieren.
Zum Weiterlesen
Fachstelle Kinderwelten (Hrsg.): „Fasching vorurteilsbewußt feiern! Anregungen für eine
diskriminierungssensible Praxis“ (ista, 2016)
Interview mit Stefani Boldaz-Hahn (ektimo – Gesellschaft für Evaluation in Kindertageseinrichtungen): „Nur eine Verkleidung?“ (Portal des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“)
„Kostüme an Karneval verbieten? So denken junge Erzieherinnen und Erzieher darüber“ (Spiegel Panorama, 27.01.2020)
„Indianer gibt es nur mit Rassismus“ (Der Freitag, 9.3.2019)
Videotipp
Der digitale FRÖBEL-Veedelszoch 2021 (YouTube, 12.02.2021)
Gastautorin
Domenica Licciardi ist Fachberaterin und begleitet mehrere FRÖBEL-Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen.