Der Deutsche Lesepreis für herausragende Sprach- und Leseförderung in Kitas: Warum sich eine Bewerbung für Kindergärten lohnt.
Ein Beitrag von Sophie Lüttich. Dieser Beitrag wurde am 19.04.2022 aktualisiert.
Der Deutsche Lesepreis für herausragende Sprach- und Leseförderung in Kitas zeichnet Kindertageseinrichtungen aus, die der Vermittlung von Freude an Geschichten und dem Interesse am Lesenlernenwollen in ihrer pädagogischen Arbeit besonders viel Raum geben. Dazu zählen die Ausstattung der Kitas mit Vorlesematerial und Vorleseorten, der alltägliche Umgang mit Geschichten und Büchern und regelmäßige dialogische Vorleseangebote der pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern und ihren Familien.
Annegret Kieschnick war bis Juni 2021 Referentin für Pädagogik und Qualitätsentwicklung bei FRÖBEL und Jurymitglied des Deutschen Lesepreises. Heute ist sie Programmmitarbeiterin bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und arbeitet in den Programm KITA-Rat und Gemeinsam bildet – Grundschule und Hort im Dialog. Im Interview habe ich sie zu den Hintergründen und Kriterien für Bewerbungen befragt und wollten herausfinden, warum es sich lohnt, sich als Kita für diesen Preis zu bewerben.
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In der Kategorie „Herausragende Sprach- und Leseförderung in Kitas“ wird gefragt, was der Kindergarten im Bereich Sprach- und Leseförderung umsetzt, das über die Inhalte der Bildungsprogramme hinausgeht. Können Sie Beispiele geben, was damit gemeint ist?
Bei diesem Punkt geht es uns darum kleine Besonderheiten aus den bewerbenden Kitas heraus zu kitzeln. Zum Bespiel Aktionen wie Vorlesen im Tipi, eine mobile Outdoorbibliothek für die Aufenthalte im Freien oder vielleicht eine Druckwerkstatt, die Kinder zu ersten eigenen Büchern inspiriert.
Es müssen also gar nicht immer ganz neue, noch nie dagewesene Ideen sein? Kann man also auch auf bewährte Ideen und Methoden setzen?
Ja, natürlich können bewährte Idee eingereicht werden! Es geht uns nicht nur um neue Ideen, sondern um Projekte & Ideen die konsequent im Kitaalltag umgesetzt werden. Für uns ist es wichtig zu erfahren, welchen Stellenwert Sprach- und Leseförderung in der Einrichtung hat. Wie wird der Alltag mit Büchern und wie werden Sprachanlässen gestaltet?
Sie schauen darauf, inwieweit Bücher-, Erzähl- und Vorleseaktivitäten im normalen pädagogischen Alltag einer Kita verankert sind, richtig?
Genau. Forschungen zeigen, dass Vorlesen im Kindergarten oft von den Kindern ausgeht. Sobald es trubeliger wird, fällt das Vorlesen oftmals weg. Dagegen helfen fest verankerte Vorlesezeiten, am besten natürlich ergänzt durch viele spontane Vorlesemomente.
Eine Frage in der Bewerbung zielt darauf ab, wie die Kinder als Akteur*innen in die Bücher- und Vorleseaktivitäten eingebunden werden und wie sie diese mitgestalten können. Warum ist Ihnen dieser Aspekt wichtig?
Kinder sprechen am liebsten über Dinge, die sie gerade brennend interessieren. Deshalb ist ein entscheidender Faktor für Sprach- und Leseförderung, die Interessen der Kinder wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
Wenn ich beobachte, dass ein Kind oder eine kleine Kindergruppe am Thema Meerestiere interessiert sind, kann das mit einer guten Buchauswahl unterstützt werden. Die Kinder können gefragt werden: Was wollt ihr zu dem Thema wissen? Welche Bücher oder Materialien sollten wir zu dem Thema noch besorgen? Und wenn Kinder diese Form der Partizipation gewöhnt sind, werden sie Bücher beim nächsten Thema einfordern.
Es macht immer Sinn, Kinder bei der Auswahl der Bücher sowie der Gestaltung der Vorleseorte einzubeziehen. Genauso wichtig ist es, dass pädagogische Fachkräfte für eine gute Auswahl an Büchern sorgen. Sie sollten darauf achten, dass Kindern in Büchern eine Vielzahl an Familienformen, Berufen und Identifikationsfiguren aufgezeigt werden und auf stereotype Darstellungen von Menschen verzichtet wird.
Können Sie ein gelungenes Beispiel aus einem Kindergarten nennen?
Ein FRÖBEL-Kindergarten hat einen Bücherkoffer für zu Hause eingeführt. Von Freitag bis Montag kann ein Kind den gepackten Bücherkoffer mit nach Hause nehmen. Darin sind Bücher, eine kleine Decke, eine Taschenlampe und ein kleines Spiel. Am Wochenende können die Familien dann mit dem Kind einen gemütlichen Vorleseabend gestalten und ihm aus den geliehenen Büchern vorlesen.
Ein anderer Kindergarten hat mit den Kindern ein Projekt zum Thema „Lieblingsbuch“ gestartet. Jedes Kind hat zu seinem Lieblingsbuch ein kleines Plakat gestaltet. Eine gute Gelegenheit um Schrift in den Alltag zu integrieren. Die Kinder haben den pädagogischen Fachkräften diktiert, was sie über ihr Lieblingsbuch auf dem Plakat notieren sollten.
Besonders gut geeignet im Bereich Sprach- und Leseförderung ist außerdem alles, was mit Reimen und Gedichten zu tun hat. Die phonologische Bewusstheit ist eine der wichtigen Kompetenzen auf dem Weg zum Lesen und Schreiben lernen. Und Kinder haben riesigen Spaß an Quatschreimen.
Mit Kindern kleine Bücher herzustellen, die mit Bildern oder Basteleien gefüllt und beschriftet werden, ist übrigens eine einfache aber sehr wikrunsvolle Methode, die im pädagogischen Alltag stattfinden kann.
Als Bewerberin werde ich auch nach „eigens eingerichteten Vorleseorten“ in meiner Kita gefragt. Reicht es also nicht, wenn ich eine Bibliothek habe? Oder andersherum gefragt: Brauche ich zwingend eine Bibliothek in meinem Haus, um mich bewerben zu können?
Eine Bibliothek im Kindergarten ist toll. Wenn Familien sich Bücher ausleihen können, ist es noch besser. Eine Bibliothek ersetzt aber nicht die vielen kleinen, gemütlichen Vorleseorte im Haus, in denen sich die Kinder zurückziehen können. Wenn in einem großen Kindergarten mit mehr als 180 Kindern Bücher nur in einem Raum zu finden sind, reicht das nicht aus. Es ist einfach nicht praktikabel. Kinder müssen von Büchern umgeben sein. Besonders im Kindergarten ist es wichtig, dass Kinder an vielen Stellen erinnert und aufgefordert werden ein Buch zur Hand zu nehmen; es sich anzuschauen und sich vorlesen zu lassen.
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Ein besonderes Augenmerk wird auch auf das Thema „Personal“ gelegt. Ist vielleicht am Ende das Engagement des Teams sogar wichtiger als die räumliche oder materielle Ausstattung? Oder lässt sich das so pauschal gar nicht sagen?
Am optimalsten ist eine Mischung aus beidem. Für eine sehr gute Sprachbildung benötigt man sehr gut qualifizierte Fachkräfte. Es ist wichtig, dass nicht nur eine Fachkraft für den Bereich zuständig ist. Das ganze Team muss in dem Bereich sehr gut qualifiziert sein und sich dafür verantwortlich fühlen, den Alltag so sprachanregend wie möglich zu gestalten. Viele Gespräche ergeben sich, ohne dass viel Material benötigt wird. Vorlesen ist eine der förderlichsten Situationen im Kindergartenalltag und dafür benötigt man Bücher, gute Bücher. In Kindergärten gehören Bücher ebenso wie Materialien im Atelier zu Verbrauchsgütern und müssen regelmäßig erneuert werden.
Die Jury des Deutschen Lesepreises achtet auch darauf, dass das Engagement der eingereichten Projekte eine bundesweite Vorbildfunktion hat und übertragbar ist. Wieso wird darauf geachtet?
Einerseits sollen Einrichtungen für ihren besonderen Einsatz in der Sprach- und Leseförderung gewürdigt werden, andererseits möchten wir, dass die Ideen Inspiration für andere Institutionen sind. Ideen klauen ist deshalb nicht verboten, sondern ausdrücklich erwünscht.
Angenommen, das Team eines Kindergartens ist sich nicht sicher, ob ihr Engagement für Sprach- und Leseförderung schon „preiswürdig“ genug ist. Würden Sie trotzdem zu einer Bewerbung raten und wenn ja, warum?
Wir möchten alle ermutigen, sich zu bewerben. Wenn sich ein Team in einem Kindergarten zusammensetzt und gemeinsam an einer Bewerbung arbeitet, ist das Erstaunen manchmal groß, was alles in Bereich Sprach- und Leseförderung getan wird. Ideen, Gedanken und Umsetzungsbeispiele einmal zu Papier zu bringen, hilft die Aktivitäten in dem Bildungsbereich zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Wir freuen uns über jede Bewerbung und sind gespannt, welche Projekte und Ideen in den Einrichtungen umgesetzt werden.
Bewerben auch Sie sich für den deutschen Lesepreis!
Der Deutsche Lesepreis zeichnet innovative und bewährte Leseförderungsmaßnahmen aus und sucht jedes Jahr herausragende Maßnahmen und Projekte, die dazu beitragen, eine Kultur des Lesens zu erhalten und zu fördern. Bewerbungen für den Deutschen Lesepreis 2023 werden vom bis 30. Juni 2022 entgegengenommen. Bewerben kann sich jede Kita! Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bewerbung über das Online-Formular auf www.deutscher-lesepreis.de.
Als langjähriger Kategoriepate unterstützt FRÖBEL den Deutschen Lesepreis. Seit 2018 stiftet FRÖBEL den Preis in der Kategorie „Herausragende Sprach- und Leseförderung in Kitas“.