Kinder für die Zukunft stärken
Dieser Beitrag ist im KINDgerecht-Magazin für frühkindliche Bildung erschienen. Hier können Sie das Magazin herunterladen und weitere interessante Beiträge rund um das Thema Nachhaltigkeit lesen.
Ob es um Umwelt, Gesundheit, Armut, Hunger oder Geschlechtergerechtigkeit geht: Alles ist eng mit dem Thema Inklusion und damit mit einer selbstbestimmten Teilhabe sowie der Wertschätzung von Vielfalt verbunden. Auch in Kindertageseinrichtungen wird dies thematisiert. Eine inklusive Haltung der pädagogischen Fachkräfte bildet dabei die Grundlage der pädagogischen Arbeit.
Nachhaltigkeit steht nicht für sich allein: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) umfasst das Vorhaben, Kindern zukunftsfähiges und demokratisches Denken und Handeln näherzubringen. Das gelingt, indem wir sie zu eigenständigem Denken anregen und ihnen helfen, zu verstehen, welche Auswirkungen ihr Handeln hat (Faas & Müller, 2019). Diese Haltung spiegelt sich auch im Begriff der Inklusion wider, in dem es um eine selbstbestimmte Teilhabe aller Beteiligten sowie die Achtung und Wertschätzung jeglicher Heterogenität geht. Darin enthalten ist, neben dem Ausschluss von Diskriminierungen, ebenso die Minimierung sichtbarer und versteckter Barrieren. Nur durch Teilhabe können sich Kinder – ebenso wie Erwachsene – mit den jeweiligen Themen und Vorhaben identifizieren und sich engagiert und aktiv an der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft mit all ihren Aspekten beteiligen. BNE beinhaltet ähnliche Aspekte, die nicht neu hinzukommen, sondern sich vielmehr der Auseinandersetzung mit einer gesellschaftskritischen und reflexiven Perspektive widmen (Faas & Müller, 2019).
Wie kann man Inklusion und BNE im pädagogischen Alltag verbinden?
Es geht zum einen darum, dass Kindern Wissen durch gestaltete Räume, Umgebungen und Angebote zu verschiedenen Themen bereitgestellt wird. Zum anderen ist es überaus wichtig, dass ihnen ihre Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt werden und sie auf dem Weg, diese für sich zu nutzen, unterstützt werden. Erfahrungen werden vor allem über das Entdecken und Erforschen der Umgebung mit allen Sinnen gemacht, aber ebenso bedeutend sind Gespräche. Es gibt zahlreiche Momente im pädagogischen Alltag, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen, mit ihnen die verschiedensten Themen zu erforschen, zu debattieren und zu philosophieren. Dabei ist bedeutend, dass…
- sich Kinder aktiv an Entscheidungsprozessen beteiligen können.
- pädagogische Fachkräfte eine Vorbildfunktion einnehmen.
- Kindern Vielfalt und Nachhaltigkeit vorgelebt und erlebbar
gemacht werden. - Kinder sich bewusst werden, was ungerecht, ausgrenzend,
diskriminierend oder umweltschädlich ist und sich
dabei als Gestalter*innen der Zukunft erleben. - sich Kinder und pädagogische Fachkräfte gemeinsam mit Grundsatzfragen beschäftigen: Was ist der Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Gleichheit? Was bedeutet Ausgrenzung?
- Kinder verschiedene Perspektiven und alternative Meinungen kennenlernen.
- Kinder und pädagogische Fachkräfte gemeinsam auf die Suche nach Lösungen gehen.
- Kinder sich als Individuum und in der Gemeinschaft erleben und wertgeschätzt fühlen.
- Entscheidungsprozesse unterstützt und begleitet werden, sodass Kinder diese eigenständig übernehmen und eigene Positionen entwickeln können.
Fachkräfte als Vorbilder
Kinder orientieren sich an Vorbildern und imitieren somit auch das Verhalten der pädagogischen Fachkräfte. Sie sind diejenigen, die Vielfalt und Nachhaltigkeit leben, Partizipation umsetzen und Gestaltungsräume ermöglichen. Kinder sind von Geburt an neugierig, die Welt und die Vielfalt zu entdecken. Diese Neugierde gilt es zu unterstützen: Gemeinsam Fragen stellen, komplizierte Dinge erforschen, verschiedene Perspektiven erkunden, Gerechtigkeit und Unrecht thematisieren, andere Meinungen zulassen und darüber diskutieren und debattieren, Entscheidungen treffen sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung eintreten. Ähnlich wird es in der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung, die sich am Anti-Bias-Approach orientiert, formuliert. Hier werden vier Ziele zusammengefasst, die sich mit der Identität, der Diversität, der Gerechtigkeit und dem Aktivwerden beschäftigen. Sie greifen unmittelbar ineinander und bauen aufeinander auf (Derman-Sparks & Olsen Edwards, 2016). Die Vorbildfunktion umfasst:
- umweltbewusstes Handeln
- aktiv werden gegen Diskriminierung und Ausgrenzung
- respektvolle und wertschätzende Haltung gegenüber Diversität
- Einsatz für Vielfalt, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Kinderrechte und Menschenwürde
- Anerkennung und Wertschätzung der Kinder als Mitgestaltende
Reflexion ist eine Kernkompetenz der pädagogischen Fachkraft
Die eigene Biografie, Erfahrungen und Erlebnisse beeinflussen das eigene Handeln, auch das pädagogische Handeln. Sich selbst zu reflektieren bedeutet, die Auswirkungen und Wirkungsweisen der eigenen Arbeit aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
- Wie stark durfte ich mich als Kind beteiligen?
- Welches Bild vom Kind galt damals?
- Wie sehr habe ich mich bisher für Umwelt und Klimawandel interessiert?
- Wie stark bin ich bisher mit sozialer Ungerechtigkeit in Berührung gekommen?
- Welche Formen der Diskriminierung habe ich selbst erlebt?
Durch die Reflexion des eigenen Handelns und eigener (Vor-)Urteile entwickelt sich eine Bewusstheit über die eigenen Stigmatisierungen sowie deren Wirkungen auf andere. Pädagogische Fachkräfte können auf diese Weise neue Perspektiven entdecken und so eine noch respektvollere und offenere Haltung entwickeln.
Die Welt gehört in Kinderhände
Stets überlegen Erwachsene, was gut für Kinder ist. Oft wird jedoch vergessen, sie selbst zu fragen, wie sie Dinge finden und einschätzen. Es wird ihnen teilweise nicht zugetraut, eigene Entscheidungen zu treffen. Dabei ist es bedeutend, den Kindern Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen und mit ihnen zu überlegen, wo sie sich wie einbringen können.
Gerade BNE und Inklusion nehmen die Perspektive der Kinder in den Blick. Mit Kindern lässt sich diskutieren und philosophieren:
- Welchen Blick haben die Kinder auf das aktuelle Geschehen?
- Was gefällt ihnen an ihrer Umgebung und was nicht?
- Welche Entscheidungen können sie treffen bzw. wo würden sie gern mitentscheiden können?
- Wer kann sich ihrer Meinung nach wie intensiv und bei welchen Themen beteiligen?
- Wo sind ihre Lieblingsorte?
© FRÖBEL e.V Foto: Foto: Silke Drane
Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Inklusion und BNE leben von den Menschen, die sich für ihre Umsetzung starkmachen. Der Zusammenarbeit mit den Familien wie auch der Netzwerkarbeit innerhalb der Kommunen
kommt hier eine bedeutende Rolle zu. Wenn alle auf Augenhöhe zusammenarbeiten, entstehen Beziehungen, fallen Barrieren und eine Willkommenskultur entsteht. Vernetzung ist einer der Schlüssel, um sich der neuen Aufgaben zu stellen und den Schatz der Vielfalt zu heben. Inklusion und BNE sind gesellschaftliche Aufgaben, denen wir uns alle stellen müssen. Wir gestalten alle mit und sollten uns dieser Rolle bewusstwerden.
Literatur
FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH (2021). KINDgerecht – Magazin für frühkindliche Bildung (Nr.2) – Große Themen für kleine Leute. Berlin
Derman-Sparks, Louise & Olsen Edwards, Julie (2016). Die Ziele im Anti-Bias-Ansatz: Aufklärung einiger Missverständnisse. Beitrag für die Tagungsmappe zur 10. Baustelle Inklusion der Fachstelle Kinderwelten am 18.6.2021.
Faas, Stefan & Müller, Gabriele (2019.): Leitfaden. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Kindertageseinrichtungen gestalten.
Prengel, Annedore (2014): Inklusion in der Frühpädagogik. Bildungstheoretische, empirische und pädagogische
Grundlagen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte. WiFF Expertisen, Band 5, 2., überarbeitete Auflage. München