Eingewöhnung: Ohne die Familie geht es nicht!
Lesen Sie hier, wie wichtig die Familie für das Kind beim Start in die Krippe oder Kita ist und welche zentrale Rolle sie für den Aufbau verlässlicher und vertrauensvoller Beziehungen spielt.
Ein Beitrag von Josephine Pecher. Die Koordinatorin des FRÖBEL-Kindergartens im Bundesministerium für Bildung und Forschung gewöhnt gemeinsam mit ihren Kolleg*innen nach dem Berliner-Eingewöhnungsmodell ein.
Immer wieder höre ich die Aussage, dass das Kind ab einem gewissen Punkt im Eingewöhnungsprozess die Trennung und das Weinen „aushalten“ muss. Es würde sich sonst nicht eingewöhnen können und merken, dass es mit seinem Weinen „erreicht, was es will …“.
Wie dieses Praxisbeispiel zeigt, herrscht teilweise noch die längst überholte Meinung vor, dass die Eingewöhnungsphase in der Kindertagesstätte darin besteht, das Kind in der ersten Zeit weinen zu lassen, also sein Bindungsverhalten zu ignorieren. Doch langanhaltendes Weinen, das ins Leere läuft, kann nie zu einer gelungenen Eingewöhnung führen.
© FRÖBEL e.V. Foto: Bettina Straub
Bindung – ein wichtiger Faktor in der Eingewöhnung
Das Bindungsverhalten eines Kleinkindes kann man sich wie eine Waage vorstellen. Wenn das Bindungsverhalten aktiviert ist, braucht das Kind Nähe, Geborgenheit und Zuspruch von einer Bindungsperson. Ist dieses Bedürfnis erfüllt und das Kind sich seiner Bindungen sicher, erkundet es seine Umgebung explorativ. Es ist von großer Bedeutung, dass der Eingewöhnungsprozess als Prozess des Bindungs- und Beziehungsaufbaus zwischen der pädagogischen Fachkraft, dem Kind sowie seiner Familie gesehen wird.
Aktive Zuwendung und eine emotional warme Umgebung bilden die Grundlage für den Bindungsaufbau zwischen der pädagogischen Fachkraft und dem Kind. Während dieses Prozesses sollte sensibel beobachtet werden, ob das Kind die Interaktion mit der pädagogischen Fachkraft genießt. Die Bindungsbeziehung hat eine sicherheitsgebende Funktion. Fühlt sich das Kind sicher und geborgen, kann es eigenaktiv die Umwelt erkunden und schon bald Beziehungen zu anderen pädagogischen Fachkräften und vor allem Kindern aufbauen.
Bei der Bewältigung dieses Übergangs hilft dem Kind eine sichere Bindung zu einer familialen Bezugsperson. Sie ist die Basis, so etwas wie ein „sicherer Hafen“ (vgl. Laewen/Andrés/Hédervári 2003), von dem aus das Kind die Möglichkeit hat, zu explorieren und zu der es immer wieder zurückkehren kann, wenn es Rückmeldung, Trost oder Ähnliches benötigt.
© FRÖBEL e.V. Foto: Bettina Straub
Die Familie als „sicherer Hafen“
Dem Kind und seinen familialen Bezugspersonen ist der Übergang aus der Familie in die Krippe meist noch unbekannt. Das Kind wird mit fremden Räumlichkeiten, einem fremden Geruch, fremden Kindern und Personen konfrontiert. Gleichzeitig ändert sich der gesamte Tagesablauf. Das alles fordert von dem Kind enorme Lern- und Anpassungsleistungen, bei denen es erheblichen Stress durchlebt.
Auch für die familialen Bezugspersonen ist die Eingewöhnung des Kindes ein neuer und unbekannter Lebensabschnitt, der auch von ihnen eine große Umstellung fordert.
Daher ist es wichtig, den Familien der Kinder Ängste und Sorgen zu nehmen und sie bei der Eingewöhnung zu unterstützen. Die Gefühle der familialen Bezugsperson übertragen sich oft auf das Kind. Wenn sie also Vertrauen in die neue Situation und die pädagogischen Fachkräfte fassen kann und sich in der Einrichtung wohlfühlt, wird die Eingewöhnung auch für das Kind einfacher zu bewältigen sein.
In Ruhe ankommen
Die Kinder und ihre Familien sollten die Möglichkeit bekommen, die Räume im Vorfeld zu erkunden und in Ruhe anzukommen. Auch das Kennenlerngespräch zwischen der Familie und der pädagogischen Fachkraft ist ein wichtiger Moment. In dieser Situation wird der erste intensive Kontakt hergestellt. Das Gespräch sollte daher in einem geschützten und ruhigen Umfeld stattfinden. Ein schönes und interessantes Spielzeug kann außerdem zu einem ersten Kontakt mit dem Kind führen. Während der ersten Interaktion mit dem Kind liegt der Fokus nicht mehr so stark auf den familialen Bezugspersonen und sie können sich etwas entspannen. Der Gesprächseinstieg gelingt dann oft viel leichter.
Vielen familialen Bezugspersonen fällt es schwer, über Themen wie das Stillen, Schlafen etc. zu sprechen. Es ist wichtig, ihre Ängste und Sorgen sensibel aufzunehmen und den Ablauf der Eingewöhnung sorgfältig zu besprechen. Ein Fahrplan hilft ihnen, sich auf die kommenden Wochen einzustellen.
Ein Fahrplan für die Eingewöhnung
Für den Verlauf der Eigewöhnung ist es relevant, der Bezugsperson, welche die Eingewöhnung begleitet, die Wichtigkeit der Anwesenheit in den ersten Tagen zu erklären. Sie bildet den „sicheren Hafen“ für das Kind. Sie sollte einen festen und zentralen Platz im Raum einnehmen, um für das Kind jederzeit sichtbar und präsent zu sein. Dennoch ist die familiale Bezugsperson in dieser Situation kein aktiver Spielpartner bzw. keine aktive Spielpartnerin. Sich bewusst zurückzunehmen, ist für die familiale Bezugsperson allerdings nicht so leicht. Es kann helfen, nach dem ersten Tag das Gespräch zu suchen und noch einmal alle Rollen im Eingewöhnungsprozess zu besprechen.
Die Eingewöhnungszeit der ersten drei Tage sollte nicht länger als 60 Minuten pro Tag andauern. Der Raum sollte gut gewählt und vorbereitet sein. Es ist wichtige, dass nur ein kleiner Teil der Gruppe anwesend ist, um eine Überforderung des einzugewöhnenden Kindes zu vermeiden. Angenehmes Licht, vorbereitete Spielmaterialien und ein fester bequemer Platz für die Bezugsperson können den Start erleichtern.
Die pädagogische Fachkraft baut den Kontakt zu dem Kind über die Spielmaterialien auf. Eine ruhige Sprache und die Verbalisierung der kindlichen Handlungen führen zu einer vertrauensvollen Atmosphäre.
© FRÖBEL e.V. Foto: Bettina Straub
Erziehungs- und Bildungspartnerschaft: gemeinsam zum Ziel
Durch ein transparentes und offenes Handeln während der Eingewöhnung legt die pädagogische Fachkraft in der Regel den Grundstein für eine harmonische Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Das ist die Basis für ein wertschätzendes und kooperatives Verhalten der familialen Bezugspersonen. Auf dieser Grundlage werden die Verlust- und Trennungsängste der familialen Bezugspersonen reduziert oder vermieden und auch das Kind kann den Start in der Krippe besser bewältigen.
Lassen sich beide Seiten auf eine vertraute und respektvolle Zusammenarbeit ein, ebnen sie den Weg, der gemeinsam zum Wohl des Kindes gegangen wird und von gegenseitiger Wertschätzung geprägt sein kann. Diese Zusammenarbeit erfordert Mut und Vertrauen, um Ziele zu erreichen und Schwierigkeiten zu beseitigen. Die zuvor genannten Stressfaktoren während der Eingewöhnung lassen sich verringern oder sogar vermeiden, wenn Familien die Bereitschaft haben, die Eingewöhnung ihres Kindes zu begleiten. Auch in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der pädagogischen Fachkraft lassen sich Probleme lösen, wenn beide Seiten bereit sind, aktiv daran mitzugestalten und das konstruktive Gespräch suchen. Denn sowohl die Familien als auch die pädagogischen Fachkräfte fühlen sich ernst genommen und respektiert, wenn eine wertschätzende Kommunikation stattfindet.
Verweise
Laewen, H.-J.; Andres, B.; Hédervári, E. (2003): Die ersten Tage – Ein Modell zur Eingewöhnung in Krippe und Tagespflege. Weinheim, Basel, Berlin: Beltz.
Gastautorin

Meine Nichte ist fast 2 Jahre alt und wechselt den Kindergarten. Es stimmt, dass transparentes und offenes Handeln während der Eingewöhnung super wichtig, für das Wohl des Kindes ist. Nun ist meine Nichte 2 und ihre Autonomie-Phase beginnt. Die Begleitung von Eltern bei der Autonomie-Phase ihrer Kinder ist wichtig und so auch die Begleitung der Erzieher. Also heißt es bei meiner Nichte gerade, zwei Hürden zu meistern.