So gelingt die Garderobensituation in der Kita stressfrei
Die Garderobensituation in der Kita ist meist eine echte Herausforderung. Welche Schuhe? Werden die Regenhosen gebraucht? Welche Mütze muss es sein und wo sind eigentlich die Socken hin?

© FRÖBEL e.V., Foto: Franziska Werner
In der Garderobe in der Kita treffen erfahrungsgemäß viele kleine und große Menschen aufeinander. Die Kinder brauchen hier und da Hilfe, manch einer mehr, die andere weniger. Für die Fachkräfte ist es, in den oft engen und vollen Räumen, schwer den Überblick zu behalten. Kira Daldrop hat sich aus diesem Grund in ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit genau damit beschäftigt und heraus gefunden, wie die Garderobensituation in der Kita stressfreier gestaltet werden kann.
Kira, du hast im Rahmen deiner wissenschaftlichen Abschlussarbeit, dass An- und Ausziehen in der Kita untersucht. Warum hast du dich für dieses Thema entschieden?
Ich habe die Garderobensituation während eines Praktikums selbst als die stressigste und anstrengendste Situation des ganzen Tages erlebt. Ich hatte das Gefühl, alle waren in dieser Situation unzufrieden und angespannt, sowohl die Kinder als auch die pädagogischen Fachkräfte. Als ich mich näher damit auseinandersetzen wollte, stellte ich fest, dass es zum Thema An- und Ausziehen und Gestaltung der Garderobensituation keine Literatur und keine hilfreichen Anregungen gibt. Was mir vollständig fehlte, war ein genauer Blick, eine Analyse dieser komplexen Situation. Damit war meine Neugier geweckt und ich sah es als Herausforderung an, mich mit einem Thema auseinanderzusetzen, welches bis dahin kaum beachtet wurde. Außerdem ist das An- und Ausziehen eine Situation, die wir im pädagogischen Alltag tagtäglich mehrmals erleben. Das Thema erfüllte so meinen Anspruch, an eine praxisnahe wissenschaftliche Arbeit, die eine Relevanz für die Arbeit der pädagogischen Fachkräfte hat.
Was hast du genau untersucht und wie bist du dabei vorgegangen?
Ich habe das Anziehen mit Kindern im Krippenalter während eines Übergangs von drinnen nach draußen im Verlauf des Vormittages angeschaut – sozusagen das tagtägliche „nach draußen gehen“ z. B. nach dem Morgenkreis, dem Frühstück oder einer Freispielphase. Zunächst stand die Frage im Raum, was die Situation eigentlich so herausfordernd und komplex macht. Was beeinflusst das An- oder Ausziehen? Warum sind manche Tage entspannt und manche Tage hektisch und stressig?
Die tiefergehende Analyse stellte dann die Interaktionsgestaltung während des Anziehens zwischen den Kindern und den pädagogischen Fachkräften in den Mittelpunkt. Dabei habe ich mir besonders die sprachliche Interaktion und die Berührungs- und Bewegungsinteraktion, dass sogenannte „Handling“ angeschaut. Was passiert eigentlich alles während sich die Kinder anziehen und die Fachkräfte sie dabei unterstützen? Natürlich spielen dabei auch Aspekte, wie die Übergangsgestaltung des kleinen Übergangs, der sogenannten Mikrotransition, sowie das Mobiliar und der Raum eine wesentliche Rolle. Ich habe mit Videoaufzeichnungen gearbeitet und diese dann ausgewertet. Mit dieser Methode konnte ich viele Aspekte erfassen und sichtbar machen, die bei einer einfachen Beobachtung nicht sichtbar geworden wären.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse deiner Analyse?
Die Garderobensituation ist sehr komplex. Viele Vorgänge laufen gleichzeitig ab, was sowohl für die Kinder als auch für die pädagogischen Fachkräfte schwer zu überblicken ist. Zum einen muss der Übergang in die Garderobe hinein bewältigt werden. Dafür muss eine vorhergehende Aktivität beendet, ein bestimmter Weg zurückgelegt und der eigene Platz gefunden werden usw. Zum anderen ist das An- und Ausziehen an sich schon eine Aktivität, die die Kinder in den ersten drei Lebensjahren herausfordert. Sie brauchen dabei ganz unterschiedlich intensive Assistenz – die Kleinsten müssen noch vollständig von den pädagogischen Fachkräften angezogen werden, die älteren Kinder brauchen vielleicht nur hier und da eine helfende Hand oder eine Erinnerung.
Jede dieser Assistenzhandlungen der pädagogischen Fachkräfte muss auf das jeweilige Kind abgestimmt sein, damit dieses auch tatsächlich dabei selbst die Erfahrungen machen kann: Wie genau bekomme ich meinen Fuß samt Matschhose in den Gummistiefel? Was ziehe ich eigentlich zuerst an? Und warum brauche ich heute eine Regenjacke? Die Aktivität mit ihren Teilschritten und auch die Interaktion mit den pädagogischen Fachkräften müssen für die Kinder nachvollziehbar sein, sich an ihren Fähigkeiten und aktuellen Fragen orientieren, damit sie weiterkommen, auf ihrem Weg zum selbstständigen Anziehen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Kinder und etwas, was uns über das ganze Leben hinweg begleitet. Hinzu kommen weitere Aspekte, die unterstützend oder herausfordernd wirken können, wie beispielsweise Lärm, Raumgröße, Mobiliar und ein Tagesrhythmus, die die Garderobensituation beeinflussen.

© FRÖBEL e.V., Foto: Franziska Werner
Wie können pädagogische Fachkräfte in der Krippe oder auch im Kindergarten dazu beitragen die Garderobensituation für alle Beteiligten zu entspannen?
Das An- oder Ausziehen braucht in jedem Fall eine Planung und Reflexion. Daraufhin können dann Veränderungen angestoßen werden, die die Gesamtsituation für alle entspannen. Ist es möglich die Gruppe zu verkleinern? Brauchen wir Ankerpunkte, an denen sich die Kinder kurzzeitig aufhalten können bis es im Ablauf weitergeht? Müssen wir räumliche Veränderungen vornehmen, damit die Kinder selbstständiger agieren können? Im Team kann es hilfreich sein, sich abzusprechen, wer welche Rolle übernimmt: Es gibt eine Fachkraft, die sich z.B. ganz der Unterstützung in der Garderobe widmet, während eine andere pädagogische Fachkraft den Übergang koordiniert.
Ziel sollte es immer sein, den Stress für alle zu reduzieren und ruhige Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern zu ermöglichen, in denen eine Assistenz gegeben werden kann, die auf das Kind abgestimmt ist. Diese Abstimmung während der Garderobensituation ist sehr herausfordernd, weil so viel auf einmal passiert. Natürlich spielt die Sprache eine wichtige Rolle für die Bedeutungen der Handlungen innerhalb dieser Situation: Wie heißen die Kleidungsstücke? Was ziehe ich heute an und warum? Aber besonders das Handling, also die Gestaltung der Berührungs- und Bewegungsinteraktion, bedarf einer ganz besonderen Beachtung! Pädagogische Fachkräfte müssen sich auch auf dieser Ebene abstimmen und sich an den Kindern orientieren, d.h. sich langsamer bewegen, die Bewegungen des Kindes aufgreifen und sie genau kennen.
Die pädagogische Fachkräfte benötigen ein fundiertes Wissen über die Bewegungsentwicklung und deren Unterstützung, dabei müssen sie aber auch ihre eigenen körperlichen Voraussetzungen im Blick behalten. Besonders im Bereich Handling zeigte sich in meiner Arbeit großer Handlungsbedarf. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass in Freiburg das Projekt „Responsives Handling in Krippe und Kita: Die Qualität der Bewegungs- und Berührungsinteraktion zwischen Fachkräften und Kindern.“ gestartet ist, in dem wir uns unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Dorothee Gutknecht genau damit beschäftigen
Zum Weiterlesen:
Mehr Informationen zu Kira Daldrops Forschung können Sie kostenlos auf dem Portal KitaFachtexte downloaden.
Viele weitere Ideen zur Übergangsgestaltung, wie zum Beispiel die Garderobensituation, finden Sie in der Expertise „Mikrotransitionen in der Kinderkrippe. Übergänge im Tagesablauf achtsam gestalten“ von Dorothee Gutknecht und Maren Kramer.
Gastautorin:

Kira Daldrop ist Erziehungswissenschaftlerin (M.A.), hat als Kindheitspädagogin in einer Kindertageseinrichtung in Leipzig gearbeitet und als Lehrbeauftragte an der Evangelischen Hochschule Freiburg sowie der Hochschule Niederrhein. Sie gibt Fortbildungen und Workshops zu unterschiedlichen Themen der pädagogischen Alltagsgestaltung und hat mehrere Fachbeiträge veröffentlicht.