Wickeln und Sauberkeitsentwicklung in der Kita
In Kindertageseinrichtungen wird gewickelt und das jeden Tag. Es geht nicht nur um das Saubermachen des Kindes, sondern darum, dass das Wickeln eine wichtige pädagogische Tätigkeit ist.
Die Wickelsituation kann und sollte als Bildungs- und Beziehungsmoment genutzt werden, eine 1:1 Situation, in der ein Kind eine pädagogische Fachkraft nur für sich hat. Diese 1:1 Situationen sind im pädagogischen Alltag oftmals rar. Während des Wickelns kann sich die pädagogische Fachkraft voll und ganz einem Kind zuwenden. Sie kann mit ihm reden, das Wickeln und die Reaktionen des Kindes mit Worten begleiten; ein Fingerspiel oder Lied einbauen und die Situation vertrauensvoll, individuell und beziehungsbildend gestalten. Die Aufgabe der pädagogischen Fachkräfte ist es, Kindern das Erleben konstanter Beziehungen zu ermöglichen. Der Alltag in Kindertageseinrichtungen sollte so gestaltet sein, dass Kinder sich in unterschiedlichen Beziehungen, Rollen und Formen des sozialen Miteinanders ausprobieren können. Dazu gehört die Wickelsituation als eine Komponente der beziehungsvollen Pflege – ein Begriff, den Emmi Pikler etablierte und der beziehungsbildend gestaltete Pflegesituationen im pädagogischen Alltag beschreibt (https: //www.kita-fachtexte.de/texte-finden/detail/data/physiologische-und-psychologische-aspekte-der-sauberkeitsentwicklung/, S.8, Zugriff 05.07.2019).
Der Wickelbereich
Ist der Wickelbereich so ausgestaltet, dass die Selbständigkeit des Kindes unterstützt wird und noch ausreichend Privatsphäre bietet, dann sind das gute Voraussetzungen, eine gute Wickelsituation zu schaffen. Welche sind das konkret? Ist der Wickelplatz mit einer Treppe versehen, können selbst Krabbelkinder ohne Hilfe nach oben gelangen und der Rücken der pädagogischen Fachkraft wird geschont. Bücher in greifbarer Nähe, die das Thema Sauberkeitsentwicklung aufgreifen oder Bilder zum Thema, die sich im Sichtfeld des Kindes befinden, können Hilfsmittel sein. Das sind Sprachanlässe für das Kind und die pädagogische Fachkraft. Das Kind darf und soll beim Wickeln in die Tätigkeit mit einbezogen werden. Es kann sich aus- und anziehen, die Windel runterziehen oder die Klebestreifen der Windel lösen und sich saubermachen, indem es einen Waschlappen oder Feuchttuch bekommt. Durch die bewusste Gestaltung der Wickelsituation und Einbeziehung des Kindes kann es sensibel auf den kommenden Entwicklungsschritt vorbereitet werden, ohne dass es gedrängt wird.
Jedes Kind hat sein eigenes Tempo
Um die Sauberkeitsentwicklung von Kindern zu unterstützen, ist es notwendig, das individuelle Tempo des Kindes zu berücksichtigen. Grundsätzlich dauert es vier bis fünf Jahre, bis die Sauberkeitsentwicklung eines Kindes abgeschlossen ist. Dazu braucht es bestimmte Voraussetzungen, die sich bei jedem Kind unterschiedlich schnell ausbilden.
Das Sauberwerden ist ein Prozess der Reifung. Wie beim Laufen lernen, müssen bestimmte neuronale Strukturen im Gehirn gebildet und bestimmte körperliche Voraussetzungen gegeben sein, bevor ein Kind den ersten Schritt (zur Toilette) macht. Säuglinge geben im stündlichen Intervall etwa 30 ml Urin unkontrolliert ab. Ein halbes Jahr später ändert sich dies durch im Gehirn gebildete Verbindungen und das Intervall der Kontraktionen der Blasenwand wird größer und die Blase kann mehr Urin halten. Mit dem ersten Geburtstag gibt ein Kind pro Blasenentleerung etwa 60ml Urin ab. Die ersten Signale zeigen Kinder im Alter zwischen 18-30 Monaten, hier entsteht das Bewusstsein für die volle Blase und Harndrang und wird oft verbal geäußert. Diese Grundreife kann nicht durch Training beschleunigt oder verkürzt werden, da diese Reifungsprozesse genetisch festgelegt sind. In der Regel gelingt die Kontrolle des Darms Kindern meist schneller als die Blasenkontrolle tagsüber. Am längsten braucht meist die Kontrolle über die Blase in der Nacht. Es ist eine komplexe Entwicklungsaufgabe, die Kinder hier bewältigen müssen und die jedes Kind in seinem Tempo meistert (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sauberkeitsentwicklung/, Zugriff: 05.07.2019).
Eine individuelle Begleitung ist unerlässlich
Im Tagesablauf ist es wichtig, individuell auf die Signale, verbal oder nonverbal, der Kinder einzugehen. So lange das Kind sich äußert, wenn etwas in der Windel ist, ist es noch am Anfang der Sauberkeitsentwicklung. Sobald es sich vorher mitteilt, kann es, wenn es möchte, zur Toilette gehen. Viele Kinder ziehen sich an einem bestimmten Punkt ihrer Entwicklung zur Darmentleerung zurück und das nicht selten zur gleichen Uhrzeit. Ist das bekannt, kann das Kind hier vorher gefragt werden, ob es zur Toilette will. Nichtsdestotrotz kann es zum unwillkürlichen Einnässen kommen, zum Beispiel im vertieften Spiel. Das Unterbrechen von Tätigkeiten und Spiel für den Toilettengang ist ein wichtiger Entwicklungsschritt. Den Harndrang verzögern und bewusst hinauszögern gelingt zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr und geht Hand in Hand mit dem Schritt, Spiel und andere Tätigkeiten selbständig unterbrechen zu können (https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/sauberkeitsentwicklung/, Zugriff: 05.07.2019).
Für die gesunde Entwicklung des Kindes ist es – nicht nur beim Thema Sauberkeit – wichtig, dass das Kind einfühlsam, respektvoll, geduldig und im individuell begleitet wird.
In der Kindertageseinrichtung kann dieser Entwicklungsschritt nur unter Beteiligung aller geschehen; es bedarf einer guten Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, einen gemeinsamen Konsens und guten Absprachen zwischen pädagogischen Fachkräften und der Familie. Das Kind kann durch diese Absprachen noch mehr Vertrauen in sich entwickeln und erlebt, dass es seine Entwicklungsphase in eigenem Tempo und mit verlässlichen Erwachsenen an seiner Seite durchschreiten kann.
Was kann die Sauberkeitsentwicklung unterstützen?
- Ausreichend Wechselwäsche in der Kita und zu Hause, damit in der Not nicht doch auf die Windel zurückgegriffen wird
- Besser Unterhosen und Unterhemden anziehen, statt Bodys mit komplizierten Knöpfen im Schritt
- Kleidung mit dem Kind auswählen, die das Kind leicht selbst an- und ausziehen kann
- Das Kind in seiner Entwicklung positiv bestärken
- Vermeintliche Rückschläge nicht bewerten; durch Stress oder Veränderungen kann ein Entwicklungsthema auch mal stagnieren
- Bücher gemeinsam mit dem Kind lesen, die das Thema aufgreifen
- Puppen und thematisch passende Materialien anschaffen, so können Toilettenbesuche nachgespielt werden
- Den gesamten Vorgang von Essen, Verdauung und die Zusammenhänge erklären, thematisieren und besprechen
- Keinen Ekel zeigen; Kinder können sehr lang sehr fasziniert von ihren Ausscheidungen sein
Literatur und Links
Spektrum.de: Lexikon der Psychologie – Sauerbkeitesentwicklung
Kita-Fachtext: Physiologische und psychologische Aspekte der Sauberkeitsentwicklung
Kita-Fachtext: Die Sauberkeitsentwicklung unter dem Aspekt des Erlangens von Autonomie und Kontrolle