Kinderschutz: Nach der Schließung von Kindertageseinrichtungen eine besonders wichtige Aufgabe
Unsere Kindertageseinrichtungen füllen sich endlich wieder mit Leben. Kinder kommen nun wieder verstärkt zu ihrem Recht auf Spiel, Förderung, Partizipation und in einigen Fällen auch zu ihrem Recht auf Schutz.
Während der Schließung von Schulen und Kindertageseinrichtungen gab es in vielen Kommunen einen deutlichen Rückgang von Kinderschutzmeldungen an die Jugendämter. Dies kann damit erklärt werden, dass Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, Schulen und den unzähligen Jugendhilfeeinrichtungen ihrem Schutzauftrag nicht nachkommen konnten, da die Kinder nicht im Blick waren und mögliche Kindeswohlgefährdungen nicht erkannt werden konnten.
Forschungsergebnisse bestätigen: Gewalt gegen Kinder und in Familien nimmt zu
Eine aktuelle, repräsentative Studie der TU München kommt zu dem Ergebnis, dass in 6,5 Prozent aller Haushalte Kinder und in 3 Prozent aller Haushalte Frauen Opfer von gewaltvollen Handlungen während der Corona-Einschränkungen geworden sind.
Das Risiko für Gewalt gegen Kinder war dann besonders hoch, wenn die Familie in Quarantäne und bzw. oder von finanziellen Sorgen belastet war. Kinderkliniken berichten von einer Zunahme von Verletzungen bei Kindern, die nicht unfallbedingt waren, sondern auf Gewalt durch Erwachsene hindeuten, insbesondere bei kleinen Kindern. Die Cosmo-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass knapp 60 Prozent aller Erwachsenen, die mit Kindern zusammenleben, die Corona Zeit als erheblich belastend empfinden.
Was bedeuten diese Zahlen für Fachkräfte in den Einrichtungen? Wir gehen davon aus, dass sie verstärkt von Familien erfahren könnten, dass sie sich überlastet fühlen, an Grenzen gekommen sind, und dass es womöglich zu gewaltvollen Konflikten mit den Kindern oder zwischen den Erwachsenen gekommen ist. Im Folgenden haben wir einige Hinweise zusammengestellt, wie Fachkräfte mit solchen Situationen umgehen können.
Zuallererst können sie Familien dazu ermutigen, mit Fachkräften ins Gespräch zu kommen. Ein möglicher Weg, auf diese Möglichkeit hinzuweisen, sind Plakate wie die des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM):
Mutig und offen sein: mit Familien über schwierige Situationen sprechen
Kinderschutz gelingt oft am besten, wenn Fachkräfte es schaffen, mit Familien offen, ehrlich und ohne Vorverurteilung ins Gespräch zu kommen. Kinder wünschen sich Familien, die liebevoll und gewaltfrei mit ihnen zusammenleben. Fachkräfte können durch ihre Arbeit versuchen, dazu beizutragen. Der Schlüssel dafür ist, Familien einerseits dafür zu gewinnen, über Entgleisungen in der Beziehung zu ihren Kindern zu sprechen und andererseits mit ihnen zu überlegen, wie sie Gewalt in der Erziehung vermeiden können.
Je besser es Fachkräften gelingt, Familien in solchen Gesprächen zu sensibilisieren und anzusprechen, desto besser gelingt in der Regel der Schutz von Kindern und die Umsetzung ihres Rechtes auf gewaltfreie Erziehung.
© FRÖBEL e.V; Foto: Franziska Werner
Pädagogische Fachkräfte sind vertrauensvoll, zugewandt und aufmerksam mit Familien im Kontakt. Umso wichtiger ist es, sich innerlich gut auf herausfordernde Gespräche mit Familien vorzubereiten. Wenn Familien spontan von Überforderungssituationen, gewaltvollen Entgleisungen oder emotionalen Ausnahmezuständen berichten, dann raten wir zu folgenden Reaktionen:
- Wertschätzen Sie die Offenheit der Familien und kritisieren Sie sie möglichst nicht. Sie könnten z.B. sagen: „Ich finde es toll, dass Sie uns ins Vertrauen ziehen. Wir sind uns bewusst, dass Sie eine Ausnahmesituation erlebt haben und dass Familien dann auch mal die Nerven verlieren können“.
- Signalisieren Sie den Familien ein möglichst „empathisches Ohr“: „Wollen Sie mir mehr von der Situation berichten? Wie ging es Ihnen/ Ihrem Kind in dem Augenblick? Haben Sie sich schon mit jemanden dazu ausgetauscht oder sprechen Sie zum ersten Mal darüber?“
- Erfragen Sie, ob es eine Erwartung gibt: „Ich kann versuchen, Sie zu unterstützen, wenn Sie das möchten.“ „Brauchen Sie akut Adressen/ Telefonnummern, wo Sie heute noch Unterstützung bekommen können?“ „Wie kann ich Sie unterstützen?“
- Bieten Sie den Familien ein Gespräch in Ruhe an. Sie könnten sich dann besser vorbereiten. Es ist immer zu empfehlen, gut vorbereitet in solch ein Gespräch zu gehen und auch eigene Befürchtungen vorher bearbeitet zu haben.
Zum Weiterlesen und Nachhören:
- Lohnenswertes Interview mit Jörg Maywald zur Situation von Kindern und Familie in der Corona-Zeit
- Studie der Universität München über Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie
- Cosmo-Studie und Befragung von Fachkräften der Universität Erfurt
- Sicht der Kinderärzte