Warum alle Kinder ein Eigentumsfach in der Kita haben sollten
In einem individuellen Eigentumsfach können Kinder Gesuchtes, Gefundenes und Gesammeltes aufbewahren. Persönliche und wertvolle Schätze, Erinnerungen und Kunstwerke sind so auch im Kindergarten an einem sicheren Ort verstaut und immer schnell greifbar.
Als ich Kind war, habe ich es geliebt kleine Dinge zu sammeln. Diese Sachen habe ich in meiner Schatztruhe aufbewahrt und habe den Inhalt nur mit ausgewählten Menschen geteilt. An die Momente, wenn ich jemandem meine Schätze gezeigt habe, kann ich mich noch gut erinnern. Es waren immer besondere Situationen, weil ich dem Menschen meine wertvollsten und geheimsten Geheimnisse gezeigt habe.
Manchmal, wenn es meine Freunde und Freundinnen waren, haben wir auch Sachen untereinander getauscht. Ich hatte die tollste Sammlung von Steinen, mit verschiedenen Farben und besonderer Maserung. Ich hatte sogar einen, der nach einem Sturz in meinem Knie stecken geblieben ist. Ein kleines selbstgebasteltes Buch mit einer ausgedachten Bildergeschichte gehörte auch dort hinein. Genauso wie die Fundstücke vom Strand im Urlaub. Zu jedem kleinen Teil in meiner Schatzkiste konnte ich erzählen, wie der Gegenstand zu mir gefunden hatte.
Niemand durfte ohne meine Erlaubnis an meine Schatzkiste, denn die gehörte nur mir. Für einen Erwachsenen muss diese Kiste nach einem Sammelsurium von scheinbar wertlosen Dingen ausgesehen habe. Mein Glück, dass ich Eltern habe, die mit mir gemeinsam den Inhalt der Kiste unzählige Male betrachtet haben und meine Schätze bewunderten.
Finden, Sammeln, Zeigen – persönliche Schätze im Eigentumsfach
Auch heute sammeln Kinder mit großer Leidenschaft und bewahren ihre Schätze in Kartons und Kisten auf. Kinder machen beim Sammeln und Aufbewahren die verschiedensten Erfahrungen. Sie entwickeln eine detaillierte Wahrnehmung für kleinste Bereiche unserer Umwelt. Nicht nur, dass sie kleinste Dinge entdecken, für die Erwachsene oft keinen Blick (mehr) haben, sie entwickeln Systeme, in denen sie kategorisieren. Sie ordnen ihre Sammlung unterschiedlichen Wertekategorien zu und entwickeln ein Verständnis für Mengen. Kinder erfahren durch das Zeigen ihrer Schätze Anerkennung durch Gleichaltrige. Gemeinsam können sie zum Beispiel Tauschgeschäfte arrangieren oder damit spielen.
In ihrem Eigentumsfach können sie ihre geheimsten Kitaschätze, Kunstwerke und alles was dort ihrer Meinung nach reingehört, aufbewahren. Das Eigentumsfach gehört, wie der Name schon sagt, nur dem Kind. Ungefragt darf keiner an das Fach gehen. Für die pädagogischen Fachkräfte besteht die Herausforderung es auszuhalten, dass es in den Fächern vermeintlich chaotisch ist, dass vermeintlich nur „Müll“ darin ist und dass sie selbst nur eingeladen werden können mit den Kindern gemeinsam in die Eigentumsfächer zu schauen.
Was braucht es für ein individuelles und kindgerechtes Eigentumsfach?
Ihre Geheimnisse und Schätze wollen Kinder natürlich geheim und nicht sichtbar aufbewahren. Daher sollten die Eigentumsfächer nicht einsehbar sein und einen Deckel haben, so wird die Privatsphäre des Kindes geschützt. Denkbar gut geeignet ist zum Beispiel ein Schuhkarton, ein kleiner stabiler Karton aus Pappe oder ein individuaisierter Stoffbeutel. Nicht geeignet sind durchsichtige Boxen aus Plastik oder Boxen ohne Deckel beziehungsweise mit Sichtfenster. Den Karton oder Beutel können die Kinder zuhause oder in der Kindertageseinrichtung bekleben, bemalen oder beschriften.
Das Eigentumsfach oder einzelne Schätze daraus dürfen auch mit nach Hause genommen werden. Genauso können Schätze von zu Hause in das Eigentumsfach getan werden. Das Schöne an der Einbindung der Familien in der Herstellung und Nutzung der Eigentumsfächer ist, dass sich die Lebenswelten Kindertageseinrichtung und Familie vermischen. Für die Kinder ist das wichtig. Das Eigentumsfach mit Schätzen von zu Hause und aus der Kita kann Kindern zum Beispiel den Übergang morgens von der Familie in die Kita erleichtern.
An welchem Ort in der Kindertageseinrichtung finden die Eigentumsfächer ihren Platz?
Wo genau, dass müssen sich die pädagogischen Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern überlegen. Einzige Bedingung ist, dass der Platz für Kinder gut zugänglich ist. Ein guter Ort für die Eigentumsfächer ist zum Beispiel im Gruppen- oder Bezugsraum in einem Regal auf Kinderhöhe. Am besten werden sie nicht direkt übereinander gestapelt. Sie sollten so eingeräumt sein, dass jedes Kind sein Fach rausnehmen kann, ohne erst die von anderen Kindern verschieben oder wegnehmen zu müssen. Wichtig ist einfach, dass die Kinder ohne große Mühe oder Erlaubnis an ihre Fächer herankommen.
Bis heute habe ich besondere Erinnerungsstücke und mir wertvolle Kleinigkeiten in einem Karton aufbewahrt und erfreue mich daran, wenn er mir in die Hände fällt. Ab und zu kommt es vor, dass sogar noch etwas Neues dazu kommt. Die Tochter einer Freundin war mein Übernachtungsgast und brachte ihre Edelsteinsammlung mit. Die Steine haben wir uns lange angeschaut und sie hat mir zu jedem Stein etwas erzählt. Zum Schluss bekam ich einen Amethyst geschenkt, der hat dann ein paar Tage später Einzug in mein Eigentumsfach gehalten.
Besitz ist für Kinder verständlich, Eigentum ist zu abstrakt. Es gibt einen Unterschied zwischen Besitz und Eigentum, und da empfehle ich, dass man im Kindergarten das richtige Wort benutzt: Besitz