Das wünschen sich Kinder von ihrer Kita
Studien, die die Qualität in der Kita erforschen, gibt es mittlerweile viele. Die QuaKi-Studie hat allerdings einen ganz besonderen und längst überfälligen Ansatz gewählt.
Die Studie „Qualität aus Kindersicht“, kurz QuaKi-Studie, hat erstmalig die Perspektive der Kinder in den Qualitätsdiskurs der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung miteinbezogen. Im Rahmen der Studie hatten 79 Kinder im Alter zwischen 4 und 6 Jahren die Möglichkeit, dem Forscherteam um Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann ihre Sicht auf ihre Kita zu erklären. Sie konnten von konkreten Erlebnissen berichten und den Erwachsenen ihre Kita mit all ihren Lieblingsorten, aber auch den weniger beliebten Ecken zeigen. Bastian Walther, Teil des Forschungsteam und ehemaliger Kommilitone von mir, war so nett mir einige Fragen zur Studie zu beantworten.
Ihr habt nicht wie „üblich“ Fachkräfte, Eltern und Expert*innen befragt, sondern die Kinder die täglich in den Einrichtungen betreut werden. Wie kam es zu dieser Idee und welche neuen Erkenntnisse habt ihr euch davon erhofft?
Der konkrete Auftrag, die Kinderperspektive auf die Qualität in Kitas zu beleuchten, kam von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, die dafür eine Ausschreibung gemacht hat. Es sollte explorativ erforscht werden, was aus Sicht von 4- bis 6-jährigen Kindern eine „gute“ Kita ausmacht. Diese Frage traf bei uns im DESI -Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration auf offene Ohren. Wir als Kindheitspädagog*innen und Kindheitsforscher*innen interessieren uns schon länger für die Sicht von Kindern auf ihre Kita.
Leider wird diese Sicht nur selten konsequent und systematisch als gleichwertige Perspektive im Qualitätsdiskurs anerkannt und einbezogen. Das Ziel war es daher nicht nur die Sicht der Kinder auf die Institution Kita zu erforschen. Die Studie sollte auch zeigen, dass Kinder durchaus in der Lage sind zu formulieren, was sie in einer Einrichtung mögen. Dass sie genau wissen wann, wo und mit wem sie sich wohlfühlen und warum sie gerne in ihren Kindergarten gehen und dies auch zum Ausdruck bringen können. Genau das, so finden wir, kann nach dieser Studie niemand mehr anzweifeln.
Wie seid ihr dabei vorgegangen? Was war besonders überraschend oder vielleicht auch herausfordernd bei der Forschung mit Kindern?
Wir haben in der Studie vier Methoden angewendet. Unsere Lieblingsmethode war die Kitaführung. Dabei haben uns die Kinder zu zweit oder zu dritt durch ihre Einrichtung geführt und uns gezeigt, was sie wo am liebsten machen. Das haben wir dann fotografiert oder gefilmt. In teilnehmenden bzw. videobasierten Beobachtungen haben wir außerdem Alltagssituationen aufgezeichnet. Außerdem haben wir Gruppendiskussionen geführt, in denen die Kinder ganz frei von ihren Erfahrungen in der Kita erzählen konnten. Es gab auch malbegleitende Gespräche mit den Kindern, bei denen sie ihre Kita malen und dazu ebenfalls etwas erzählen konnten. Das alles wurde dann mit der Dokumentarischen Methode ausgewertet. In unserer aktuellen Folgestudie „Kinder als Akteure der Qualitätsentwicklung in KiTas“ entwickeln wir im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zusammen mit Elena Bakels außerdem weitere Methoden.
Überraschend war immer wieder, wie selbstverständlich die Kinder sich auf die verschiedenen Forschungssettings eingelassen haben, wie gerne sie uns von ihrer Einrichtung erzählten und wie viel Freude sie daran hatten, uns alles zu zeigen. Dabei waren sie mitunter sehr beweglich und haben auch einfach mal drauf los gespielt. Das war einerseits natürlich herausfordernd, andererseits sind das die interessantesten Momente, weil man in diesen Momenten spürt, dass ihnen das besonders wichtig ist.
Das Ergebnis euer Studie sind drei Qualitätsdimensionen die die Perspektiven der Kinder auf eine gute Kita abbilden – Individualität und Zugehörigkeit, Kompetenzerleben, Autonomie und Partizipation. Worum geht es in diesen Dimensionen genau?
Mit den drei Oberdimensionen haben wir versucht, unsere Ergebnisse an die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan anzulehnen, die drei grundlegende menschliche Bedürfnisse für die Lernmotivation von Menschen im Allgemeinen identifiziert. Das sind, wie du schon gesagt hast, Individualität und Zugehörigkeit, Kompetenzerleben sowie Autonomie und Partizipation.
Näher an der Perspektive der Kinder sind aber sicher die zehn Unterdimensionen. Also zum Beispiel: Einen geheimen Ort haben, an dem man ungestört spielen kann, sich raumgreifend und spontan bewegen dürfen, das Essen mitbestimmen können oder auch mal eine Ausnahme von der Regel erleben. Mittlerweile sind wir in unserer Folgestudie bei 21 Unterdimensionen und sechs Oberdimensionen angelangt, die wir im Moment noch einmal neu ordnen. Sicherlich werden es im Verlauf der Datenauswertung auch noch mehr.
Wie können pädagogische Fachkräfte in der Krippe oder auch im Kindergarten den pädagogischen Alltag so gestalten, dass sich die Kinder wohlfühlen und gerne in die Einrichtung kommen?
Indem sie die Sicht ihrer Kinder auf ihre Kita selbst erforschen. Dazu können sie methodisch ähnlich vorgehen wie wir in unserer Studie. Sie können gemeinsam mit den Kindern diskutieren, Fragen stellen und sich die Einrichtung aus Sicht der Kinder zeigen lassen. Sie sollten sich dabei immer fragen, was den Kindern in der Einrichtung wichtig ist. Aber vor allem sollten sie die Kinder selbst dazu zu Wort kommen lassen und das dann auch wirklich ernst nehmen. Die Erkenntnisse sollten auf jeden Fall in die Qualitätsentwicklungsprozesse der Einrichtungen miteinbezogen werden. Es sollte auch wirklich auf die Sichtweisen und Meinungen der Kinder eingegangen werden. Das heißt nicht, dass alles so gemacht wird, wie die Kinder es wünschen! Auch die Perspektiven der Fachkräfte in ihrer professionellen Rolle und die der Eltern als Experten für ihr Kind sind natürlich wichtig.
Den Kindern sollte aber genau erklärt werden, warum mancher Wunsch oder manches Bedürfnis nicht berücksichtigt werden kann. Es ist wichtig die Kinder bei der Planung und Weiterentwicklung des pädagogischen Alltags in gleicher Art und Weise zu berücksichtigen, wie die Eltern und pädagogischen Fachkräfte. Unserer Studie hat gezeigt, dass das immer dann besonders interessant und herausfordernd ist, wenn die Kinder im ersten Moment anderer Meinung sind als die Erwachsenen. Unsere Studienergebnisse und die darin formulieren Reflexionsfragen können dann eine gute Hilfe sein. Sie können die Teams dabei unterstützen die Sichtweisen der Kinder nachvollziehen zu können und daran orientiert Entwicklungsprozesse in der Einrichtung anzustoßen.
Und was wünschen sich Kinder von ihrer Kindertagesstätte?
Für Kinder ist besonders wichtig, ungestört mit ihren Freunden und Freundinnen in der Einrichtung spielen zu können. Von den pädagogischen Fachkräften wünschen sie sich Sicherheit und Geborgenheit. Genauso wichtig ist ihnen genug Spielraum zu haben, um sich eigenen Herausforderungen stellen und ihre individuellen Grenzen austesten zu können. Kinder möchten aktiv an der Gestaltung „ihrer“ Einrichtung teilhaben und dabei von den Erwachsenen ernst genommen und respektiert werden. Sie wollen mitreden! Für die Kinder sind nicht die Regeln das Wichtigste, sondern ihr Recht auf den heutigen Tag!
Zum Weiterlesen:
Die einzelnen Qualitätsdimensionen und dazugehörigen Reflexionsfragen finden Sie im Abschlussbericht der QuaKi-Studie.
Mehr zur Qualität aus Kindersicht und zur Gestaltung von Qualitätsprozessen mit Kindern, erfahren Sie in der Folgestudie „Kinder als Akteure der Qualitätsentwicklung in KiTas“.
Gastautor:
Bastian Walther ist Kindheitspädagoge (B.A.), Betriebswirt (B.Sc.) und Bildungswissenschaftler (M.A.). Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am DESI -Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration hat er unter Leitung von Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann an der QuaKi-Studie mitgewirkt. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung arbeitet das Team an der Folgestudie „Kinder als Akteure der Qualitätsentwicklung in KiTas“.