Warum BNE in Kitas gehört
Welche Welt geben wir den Kindern in die Hände? Und wie befähigen wir sie, diese zu erhalten und sorgsam mit ihr umzugehen? Bildung für nachhaltige Entwicklung(BNE) taucht als neuer Bildungsbereich auch in Kindertageseinrichtungen auf. Noch ist die Disziplin aber weit davon entfernt, in der frühkindlichen Bildung als etabliert zu gelten. Was heißt das für FRÖBEL? Welche Aufgabe haben die Fachkräfte in Kitas und Horten? Ein Rundumblick von Christine Ulbrich-Dreidax.
Nachhaltige Entwicklung in Krippe, Kindergarten und Hort
Beginnen wir mit einer Feststellung: Das Thema nachhaltige Entwicklung hat bereits in vielen FRÖBEL-Einrichtungen Einzug gehalten. In manchen Kitas geht es um das Wiederverwenden und den bewussten und sparsamen Umgang mit Materialien zum Basteln.
In anderen Kindertageseinrichtungen werden aus diesem Ansatz ganze Werkstätte zum Upcycling und für Reparaturen eingerichtet.
Andere richten ihr Augenmerk auf die Ernährung und Wertschätzung von Lebensmitteln und deren Herstellung. Sie wirtschaften und planen zusammen mit der Küche und lassen Kinder über das Aussäen von Kresse bis zum kompletten Gemüseanbau, zum Beispiel mit Unterstützung der Gemüse-Ackerdemie oder Mitteln der Edeka Stiftung, selber erleben, wie wertvoll Lebensmittel sind.
Wieder andere lassen die Kinder besonders viele Erfahrungen in der Natur machen: Spielen bei Wind und Wetter im Freien, Ausflüge in Parks und Waldflächen, auch Waldwandergruppen oder ganze Waldkindergärten kann man bei FRÖBEL finden. Natur und Umwelt kennenlernen, spüren und wertschätzen ist das Ziel.
Nachhaltigkeit braucht Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Bewältigung der aktuellen Klimakrise und den damit verbundenen Folgen stellt die Weltgemeinschaft vor eine große Herausforderung. Unsere Lebens- und Wirtschaftsweisen müssen so verändert werden, dass die Lebensqualität der Menschen gesichert bleibt. Gleichzeitig sollen auch zukünftige Generationen noch die Wahl haben, wie sie ihr Leben gestalten wollen.
Der Bildung wird dabei eine essentielle Rolle zugeschrieben, denn es bedarf neben dem Wissen um die globalen Herausforderungen auch der Fähigkeiten, diesen aktiv zu begegnen. Deshalb haben sich die Vereinten Nationen darauf verständigt, dass Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in allen Bereichen des Bildungssystems fest verankert werden soll. Dazu gehört selbstverständlich auch die frühkindliche Bildung und damit die Kindertagesbetreuung in den ersten sechs Lebensjahren.
Was ist Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)?
„BNE ist eine orientierende Grundlage für die Gestaltung von Bildungsprozessen in Projekten und im Alltag und für die Gestaltung der Kindertageseinrichtung als Lernumgebung. Es kann Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigen. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist nicht etwas, was man [einfach] lernen kann, sondern eine Aufgabe, für die man offen und vorbereitet sein muss. Deshalb sollten Erfahrungen und Gestaltungsmöglichkeiten in einem verantwortlichen Umgang mit Natur und Menschen auch Teil von Bildungsprozessen sein.“ (Stoltenberg, 2019)
Was ist das Ziel von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)?
Unser Ziel als Frühpädagoginnen und Frühpädagogen muss daher sein, Kinder dabei zu unterstützen, zu Gestalterinnen und Gestaltern ihrer Welt und Zukunft zu werden.
Dazu müssen wir den Kindern Mut machen, komplizierten Dingen auf den Grund zu gehen und sie zu verändern, Mut, Entscheidungen zu treffen, Mut, aus unterschiedlichen Perspektiven auf eine Sache zu schauen und neugierig darauf zu sein, was andere denken.
Wir unterstützen Kinder darin, Probleme nichtnachhaltiger Entwicklung im nahen Umfeld, aber auch in entfernten Weltregionen zu verstehen, Fragen nach Gerechtigkeit zu stellen sowie Visionen alternativer Zukünfte zu entwickeln.
Unsere Herausforderung ist es, die Kinder dabei zu unterstützen, sich in einer komplexen und sich verändernden Welt zu orientieren und sie gemeinsam mit anderen so zu gestalten, dass sie gerechter wird. Wichtig und relevant sind dafür bestimmte Fähigkeiten, zum Beispiel das Denken in Zusammenhängen und vorausschauendes Denken, die Fähigkeit zur Reflexion, partizipativ handeln können und (sich beteiligen) sowie Kommunikation.
Diese Fähigkeiten werden auch zusammengefasst unter dem Begriff „Gestaltungskompetenz“, die als die Schlüsselkompetenz für die Bildung für nachhaltige Entwicklung gilt.
Gestaltungskompetenz: Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, Wissen über nachhaltige Entwicklung anzuwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können.
© FRÖBEL e.V Foto: Foto: Franziska Werner
Wie sieht die Kita-Praxis aus?
Die Themen für die BNE entstehen durch Fragen der Kinder in normalen Momenten des Alltags wie dem Mittag, im Waschraum oder im Freispiel. Es sind Themen, die entweder die Kinder beschäftigen und an ihre Erlebniswelt anknüpfen bzw. im Kita-Alltag gerade anstehen. Zum Beispiel soll der Speiseplan erstellt werden und aus diesem Anlass sprechen die Fachkräfte mit den Kindern über die Herkunft von Obst und Gemüse.
Es können aber auch Themen, die eine Fachkraft bewegen, Ausgangspunkt für eine intensive Auseinandersetzung werden, wie zum Beispiel: Wie vermeide ich Plastik? Wie rede ich mit?
Der pädagogische Alltag bietet dafür vielfältige Formate und Gesprächsanlässe: Naturerfahrungen, zufällige und geleitete Experimente, Erkundung der Lebenswelt, beim Lesen und Philosophieren mit Kindern, in Mahlzeitensituationen, im Kinderparlament. Oft entstehen daraus längere Aktivitäten, Projekte oder Feste zu einem bestimmten Thema.
Wie funktioniert Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)?
Bei der Auseinandersetzung mit ihren Themen können Kinder viel lernen, wenn sie die Möglichkeit bekommen …
- sich zu beteiligen
- sich mit ethischen Grundsatzfragen auseinanderzusetzen: Was heißt gerecht für mich? Welche Rechte haben Menschen, Tieren, Pflanzen? Was bedeutet ungerecht? Wem gehört der Kindergarten?
- Handlungsalternativen kennenzulernen: Was wäre, wenn? Wie könnte es anders es ein?
- Dilemma-Situationen zu erleben
- sich anderen Menschen zuzuwenden und mit ihnen gemeinsam etwas zu planen und praktisch umzusetzen, um etwas zum Positiven zu verändern oder zu initiieren
- Verantwortung zu übernehmen und eigene Standpunkte zu entwickeln.
Auf diese Art und Weise machen Kinder die Erfahrungen, dass sie mit ihrem Handeln Einfluss auf ihr direktes Umfeld haben, so können sie eine Motivation entwickeln, sich als mündige Menschen auch an größeren gesellschaftlichen Veränderungsprozessen aktiv zu beteiligen.
Fachkräfte sind Vorbilder
Kinder dabei zu begleiten und sie zu gestaltenden Persönlichkeiten wachsen zu lassen bedeutet, nicht den moralischen Zeigefinger zu heben oder komplexe Sachverhalte und komplizierte Zusammenhänge vermitteln zu wollen.
Vielmehr beeinflussen die pädagogischen Fachkräfte mit der eigenen Werthaltung, Freude und eigenen Fragen die nachhaltige Entwicklung der Kindertageseinrichtung und der Kinder.
Sie sind die Vorbilder. Sie müssen eine ehrliche, nachhaltige, pädagogische Haltung beziehen, damit Themen der Nachhaltigkeit ihren Weg in die Kindertageseinrichtung finden.
Das heißt auch, Zeit und Raum für selbstständige und gemeinsame Tätigkeiten der Kinder bewusst zu schaffen. Erfahrungen mit Natur und Materialien werden zugelassen, um deren Ursprung zu erkunden. Dingen, in denen menschliche Arbeit steckt, wird Aufmerksamkeit geschenkt.
Wir sind auf dem Weg
Rund ein Drittel der Krippen, Kindergarten und Horte bei FRÖBEL beschäftigt sich im Alltag und in Projekten bereits intensiv mit Bildung für nachhaltige Entwicklung. Über digitale Gruppen tauschen sich Fachkräfte lebhaft und intensiv aus über pädagogische Themen, aber auch darüber, wie nachhaltiges Wirtschaften in Kitas funktionieren kann. Einige Einrichtungen sind auch als „Nachhaltige Kita“ vom WiLA Bonn zertifiziert.
Dennoch bleibt dieser Bildungsbereich nicht nur eine Frage von Projekten. Wir müssen ebenso nachhaltig die Kompetenzen und das Wissen der Fachkräfte verbreitern und auf eine Haltung einwirken, diese im pädagogischen Alltag selbstverständlich einzubinden.
Im Rahmen unseres Karriereprogramms befähigen wir deshalb gezielt Fachkräfte, Bildung für nachhaltige Entwicklung in ihrer Einrichtung zu verankern, das Team zu schulen und pädagogische Projekte und Projekte zur Weiterentwicklung der Einrichtung umzusetzen. Wir stehen damit noch ganz am Anfang, aber die positive Resonanz bisher bestärkt uns darin, mit den Engagierten und Interessierten gemeinsam den Weg weiterzuverfolgen.
Bis 2030 wollen wir damit Bildung für nachhaltige Entwicklung in alle Einrichtungskonzeptionen verankert und in die pädagogische Arbeit integriert haben, auch unter dem Aspekt der sozialen Nachhaltigkeitsdimension.
Mit diesem Selbstverständnis wollen wir im Bereich der Kindertageseinrichtungen Wegweiser für diese Entwicklung sein. Nicht zuletzt sehen wir darin auch besondere Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Gewinnung von Fachkräften. Wenn wir gemeinsam weiter an einer ehrlichen und selbstverständlichen Haltung zu Fragen der Nachhaltigkeit arbeiten und die daraus folgenden Wertmaßstäbe im Rahmen aller unserer alltäglichen Handlungen konsequent berücksichtigen, sind wir auf einem guten Weg.
Dieser Beitrag ist im KINDgerecht-Magazin für frühkindliche Bildung erschienen. Hier können Sie das Magazin herunterladen und weitere interessante Beiträge rund um die Themen Kinderrechte, Demokratiebildung und BNE lesen.
Literaturempfehlungen
FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH (2021). KINDgerecht – Magazin für frühkindliche Bildung (Nr.1). Berlin
Stoltenberg, Ute, Thielbein-Pohl, Ralf (2011). Kita 21 – Die Zukunftsgestalter. Oekom Verlag, München.
Stoltenberg, Ute: Mehr als Umweltschutz, in Meine Kita. Das didacta Magazin für die frühe Bildung, 4/2019, S. 5.
Schubert, Susanne et al (Hrsg.) (2012). Nachhaltigkeit entdecken, verstehen, gestalten. Verlag das Netz: Weimar, Berlin.
Fritz, Lubentia & Schubert, Susanne (2019). Bildung für nachhaltige Entwicklung. Verlag Herder, Freiburg i. Br.
Nationale Plattform Bildung für nachhaltige Entwicklung c/o Bundesministerium für Bildung und Forschung (2017). Nationaler Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung