Von der Theorie zur Praxis: Kita-Fortbildungen wirksam gestalten
Kita-Teams müssen einiges meistern: den pädagogischen Alltag, die Zusammenarbeit mit den Familien, Verwaltung, viel Unvorhergesehenes … Und dann ist da noch der Anspruch, die pädagogische Qualität weiterzuentwickeln und in diesem Zusammenhang an der ein oder anderen Stelle lang eingeübte Arbeitsweisen zu überprüfen und vielleicht sogar zu verändern. Das ist gar nicht so leicht. In diesem Beitrag möchten wir einige Erkenntnisse aus der Forschung vorstellen, die zeigen, wie wirksam und praxisnah Kita-Fortbildungen gestaltet werden können, damit sie zur Weiterentwicklung von Kita-Qualität beitragen.
Herausforderung Handlungskompetenz
Pädagogische Fachkräfte haben aus den verschiedensten Gründen Qualifizierungsbedarf – das Team hat beispielsweise Interesse, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen, es möchte einen pädagogischen Schwerpunkt stärker in der täglichen Praxis umsetzen oder es gibt neue Fachkräfte, die eingearbeitet werden müssen. Wo auch immer der Qualifizierungsbedarf herkommt, meist ist die nächste Maßnahme, die ergriffen wird, die Planung einer Teamfortbildung. In der Teamfortbildung setzen sich die Fachkräfte dann für ein bis zwei Tage intensiv mit einem Thema auseinander, erfahren von neuen Erkenntnissen, diskutieren Umsetzungsmöglichkeiten und planen vielleicht auch erste Schritte. Doch wie kann es gelingen, dass das Wissen aus einer Teamfortbildung tatsächlich in die Arbeit einfließt und die pädagogische Praxis nachhaltig verändert?
Hier rückt eine besondere Herausforderung für pädagogische Fachkräfte in den Fokus: im Gegensatz zu Tätigkeiten im nicht-sozialen Bereich, in denen erlernte Verfahrensweisen oder theoretisches Wissen manchmal ausreichend für die qualifizierte Berufsausübung sein können, müssen Fachkräfte im vielschichtigen pädagogischen Alltag in unplanbaren, komplexen Situationen spontan agieren. Auf dieses spontane Handeln haben mehrere Faktoren Einfluss: das erlernte Wissen, aber auch die eigenen Lebenserfahrungen oder persönliche Fähigkeiten (Disposition). Davon wird die pädagogische Haltung geprägt und das Handeln (Performanz) bestimmt.

Die Professionalität pädagogischer Fachkräfte zeigt sich also in der Performanz, im Handeln in unplanbaren Situationen, wie beispielsweise in der Beziehungs- und Interaktionsgestaltung (Fröhlich-Gildhoff et al., 2011; Schelle et al., 2020). Das macht eine wichtige Anforderung an Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich der frühkindlichen Bildung deutlich: Fachkräfte sollten nicht nur Wissen erwerben, sondern anschließend auch in der Lage sein, dieses Wissen anzuwenden und in ihr Handeln zu übertragen. Bei Qualifizierungsmaßnahmen geht es damit um die Steigerung der Handlungskompetenz – es kommt nicht nur auf neues Wissen, sondern auf neues Handeln an!
Merkmale erfolgreicher Fortbildungen
Wie Fortbildungen für frühpädagogische Fachkräfte so gestaltet werden können, dass sie sich auf die Handlungskompetenz und damit auf die Qualität im pädagogischen Alltag auswirken, ist daher eine relevante Frage. In Studien dazu hat sich gezeigt, dass besonders erfolgreiche Fortbildungen die Merkmale
- Unterstützung vor Ort,
- Anwendungs- und Performanzbezogenheit,
- Weiterbildungsbedarfsermittlung über Qualitätsprofile,
- Videoanalyse und Feedback sowie
- Individualisierung der Maßnahmen auf Fachkraft- oder Gruppenniveau
aufweisen. Eine interessante Erkenntnis ist, dass sich unter den Fortbildungsformaten mit großem Effekt auf die Qualitätssteigerung keine klassische Teamfortbildung befindet (Egert et al., 2017).
Mit Blick auf die genannten erfolgskritischen Merkmale sind die Erkenntnisse jedoch nachvollziehbar. Eine Teamfortbildung kann weniger auf individuelle Kenntnisse und Fragen eingehen, ist häufig außerhalb der Praxis und weniger anwendungsbezogen.
Schaut man sich das zuerst genannte Merkmal erfolgreicher Fortbildungen an, die Unterstützung vor Ort, zeigt sich, dass diese besonders im Rahmen von Coaching, Mentoring, Consulting oder Supervision stattfindet Auch Coaching-Formate wurden in der Forschung genauer untersucht. Hier wird deutlich, dass Coaching vor allem Beobachtung und Feedback beinhaltet, aber auch gemeinsame Reflexion des pädagogischen Handelns, Zielsetzung für Veränderungen in der Praxis oder die Möglichkeit, ein positives Beispiel zu beobachten und daraus zu lernen. Damit Coaching-Formate die pädagogische Praxis weiterentwickeln, sollten sie längerfristig, individuell und praxisnah sein (Elek & Page, 2018).

Was bedeutet das für die Praxis?
Viele der Merkmale, die wirksame Fortbildungen auszeichnen, werden in der Praxis bereits umgesetzt: auch wenn es nicht immer „Coaching“ heißt, erfüllt beispielsweise die Fachberatung häufig eine coachende Funktion. Sie unterstützt vor Ort, hilft bei akuten Fragestellungen und begleitet die pädagogischen Fachkräfte langfristig und orientiert am individuellen Bedarf. Auch Leitungen, die ihr Team in Qualitätsentwicklungsprozessen steuern und begleiten, setzen hierbei Merkmale erfolgreicher Qualifizierungen um, unter anderem, wenn sie den pädagogischen Fachkräften Feedback zu konkreten Situationen geben, die sie in der Praxis beobachtet haben.
Es lohnt sich jedoch, über weitere Formate nachzudenken, die die Erkenntnisse zu wirksamen Fortbildungen aufgreifen und den Transfer von Theorie in das pädagogische Handeln stärken. Konsultationseinrichtungen, die externen Fachkräften ihr Wissen zu einem bestimmten pädagogischen Thema zur Verfügung stellen, schaffen Angebote, die Aspekte wie Unterstützung vor Ort, Vorbildlernen und Anwendungsbezogenheit umsetzen. Mehr zu diesem Thema können Sie auch in unserem Blogartikel „Fröbel-Konsultationseinrichtungen – ein bekanntes Konzept auf neuen Wegen“ erfahren.
Lernen am Beispiel kann auch mithilfe von best-practice-Videos zu pädagogischen Schlüsselsituationen gelingen. Diese Videos können Bestandteil von Formaten wie kollegialer Beratung oder „Peer-Coaching“ sein, in denen Fachkräfte über einen längeren Zeitraum regelmäßig zusammenkommen, sich über ihre Herausforderungen und Fragen austauschen und gemeinsam anhand der Videos oder von Beispielen aus der eigenen Praxis pädagogisches Handeln reflektieren.

Nicht zuletzt gibt es viele gute Gründe, eine Teamfortbildung durchzuführen. Sie ist leichter zu organisieren als individuelle, langfristige Begleitung. Sie ist wichtig für das Team, weil es eine seltene Gelegenheit ist, außerhalb des trubeligen Alltags zusammenzukommen und sich auszutauschen. Zudem ist es leichter, ein bis zwei festgesetzte Schließtage für das Kita-Jahr einzuplanen als kleinteilige und längerfristige Termine. Trotzdem sollte vorab überlegt werden, ob sich vielleicht andere Fortbildungsformate finden, die stärker auf die Qualitätsentwicklung einzahlen.
Gezieltere Planung von Teamfortbildungen
Bei der Entwicklung einer Teamfortbildung sollten die genannten erfolgskritischen Merkmale so weit wie möglich berücksichtigt werden. Zunächst einmal ist wichtig, den Qualifizierungsbedarf des Teams genau zu kennen. Wo ist Unterstützung durch eine Fortbildung besonders wichtig? Wie ist der aktuelle Wissensstand im Team zum ausgewählten Thema und wo sollte die Fortbildung ansetzen?
Vielleicht lässt sich die Fortbildung auf zwei bis drei auseinanderliegende Termine aufteilen, so dass es Praxisphasen zwischendurch gibt, in denen neues Wissen ausprobiert und im nächsten Termin dazu reflektiert werden kann. Es könnte auch sinnvoll sein, das Team in Kleingruppen aufzuteilen, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten beschäftigen, um stärker auf individuelle Fragestellungen und den tatsächlichen Qualifizierungsbedarf einzugehen. Eine Teamfortbildung kann außerdem für die Vorbereitung und Organisation von längerfristigem kollegialen Coaching dienen. Dann sollte während der Fortbildung Zeit eingeplant werden, um eine konkrete Fragestellung zu formulieren, Coaching-Tandems zu bilden und Termine für den Austausch festzulegen. So wird das Fortbildungsthema in den folgenden Wochen oder Monaten stärker in der pädagogischen Praxis verankert, die Fachkräfte bekommen Gelegenheit, anhand von Beispielen aus ihrem Alltag Herausforderungen zu besprechen und ihr Handeln zu reflektieren.
Die Anwendungs- und Performanzbezogenheit einer Teamfortbildung könnte außerdem gestärkt werden, indem das Team im Vorfeld Beispiele aus der Praxis zum Fortbildungsschwerpunkt sammelt. Das können Notizen, Videos oder auch Tonaufnahmen sein, die dann im Rahmen der Fortbildung als Fallbeispiele genutzt werden und als praxisnahe Grundlage für Reflexion und Feedback dienen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Steigerung der Handlungskompetenz eine besondere Herausforderung in der Fortbildung pädagogischer Fachkräfte darstellt. Die vorgestellten Studienergebnisse machen deutlich, worauf es bei der Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen ankommt. Vieles davon wird in verschiedenen Formaten in der Praxis bereits umgesetzt. Es ist dennoch sinnvoll, bei der Gestaltung von Fortbildungen die erfolgskritischen Merkmale im Kopf zu haben und vielleicht an der ein oder anderen Stelle neue Ideen auszuprobieren, die dabei helfen, dass das Wissen aus einer Fortbildung in der pädagogischen Praxis ankommt.
Verweise
Egert, Fransiska; Eckhardt, Andrea G.; Fukkink, Ruben G. (2017): Zentrale Wirkmechanismen von Weiterbildungen zur Qualitätssteigerung in Kindertageseinrichtungen. Ein narratives Review. Frühe Bildung 6 (2), 58-66. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1026/2191-9186/a000309.
Elek, Catriona; Page, Jane (2018): Critical Features of Effective Coaching for Early Childhood Educators: A review of Empirical research literature. Professional Development in Education, 45(4), 567–585. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1080/19415257.2018.1452781.
Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Nentwig-Gesemann, Iris; Pietsch, Stefanie (2011): Kompetenzorientierung in der Qualifizierung frühpädagogischer Fachkräfte. Eine Expertise der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF). Deutsches Jugendinstitut e.V.. Verfügbar unter: https://www.weiterbildungsinitiative.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/WiFF_Expertise_Nr_19_Froehlich_Gildhoff_ua_Internet__PDF.pdf.
Schelle, Regine; Friederich, Tina; Buschle, Christina (2020). Qualität in der Kita. Mögliche Impulse eines interaktionistischen Professionalitätsverständnisses ‒ ein Diskussionsbeitrag. Journal of Childhood and Adolescence Research, 15(2–2020), 199–216. Verfügbar unter: https://doi.org/10.3224/diskurs.v15i2.07.