Kommunikation mit Kindern in besonderer Bedarfslage – Sprache
Dies ist der dritte Beitrag in der Reihe „Kommunikation und Sprache mit Kindern in besonderer Bedarfslage“. Hier geht es zum ersten und zweiten Teil der Reihe.
Ein Beitrag von Sandra Gaßen
Auswirkungen von Sprachbarrieren auf die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern
Die Unterstützung von Kindern bei der Bewältigung von Sprachbarrieren ist entscheidend für ihre soziale und emotionale Entwicklung. Zahlreiche Studien zeigen, dass Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern auch eine wesentliche Rolle in der Identitätsbildung, der sozialen Eingliederung und der emotionalen Regulation spielt. Sprachliche Hürden können daher tiefgreifende Auswirkungen auf verschiedene Entwicklungsbereiche haben.
Wichtige Aspekte werden im Folgenden benannt:
- Soziale Interaktion – Kinder, die Schwierigkeiten in der gesprochenen Sprache erleben, können sich weniger aktiv an Gesprächen oder Entscheidungsprozessen in der pädagogischen Einrichtung beteiligen. Dies führt häufig dazu, dass sie von Gruppenaktivitäten ausgeschlossen werden oder sich selbst zurückziehen, da sie Angst vor Missverständnissen oder negativen Reaktionen haben. Fehlende sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten können dazu führen, dass diese Kinder in Interaktionssituationen übersehen werden oder ihre Bedürfnisse nicht äußern können. Die langfristigen Folgen können soziale Isolation, geringere soziale Kompetenz und eine eingeschränkte Fähigkeit zur Kooperation sein. Zudem erleben diese Kinder seltener positive soziale Bestätigung, die für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung essenziell ist.
- Selbstwertgefühl – Wenn Kinder nicht in der Lage sind, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, kann das ihr Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen. Kinder mit Sprachbarrieren erfahren oft Frustration und ein Gefühl der Minderwertigkeit, da sie sich in sozialen Kontexten unterlegen fühlen. Dies kann zu einer Vermeidung von kommunikativen Situationen führen. Langfristig kann ein niedriges Selbstwertgefühl zu Ängsten, Unsicherheiten und geringerer Motivation führen, sich aktiv in das soziale Umfeld einzubringen.
- Emotionale Ausdrucksformen – Sprachliche Barrieren erschweren auch die Regulation und den Ausdruck eigener Emotionen. Wenn Kinder, ihre Gefühle nicht angemessen ausdrücken können, kann es dazu kommen, dass Kinder ihre Emotionen entweder unterdrücken oder auf andere Weise (körperliche Signale oder Verhaltensweisen) zum Ausdruck bringen. Dies kann zu Missverständnissen führen und die soziale Interaktion zusätzlich erschweren. In Folge können sich emotionale Belastungen in Form von Reizbarkeit, Traurigkeit und Wut äußern.

- Aggression und Verhaltensauffälligkeiten – Die Frustrationen über die Kommunikationsbarrieren zeigen sich bei den Kindern in unterschiedlichen Verhaltensweisen. Aggressives Verhalten in Form von beispielsweise Wutausbrüchen oder der Rückzug in Form von Vermeidung sozialer Interaktionen, führt zu Herausforderungen in der Teilhabe im Alltag der Kindertageseinrichtung und kann auch die Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen belasten. Ein frühzeitiges Erlernen von konstruktiven Bewältigungsstrategien ist daher essenziell.
- Entwicklung von Empathie – Ein Mangel an verbaler Kommunikation kann die Fähigkeit beeinträchtigen, Empathie zu entwickeln. Kinder lernen durch Interaktion mit Gleichaltrigen, die Perspektiven anderer zu verstehen und angemessen zu reagieren. Darüber hinaus lernen Kinder durch die Co-Regulation von Erwachsenen, ihre eigenen Emotionen einzuordnen, zu benennen und schließlich mit ihnen umzugehen.
Um die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern mit sprachlichen Barrieren zu unterstützen, ist es daher wichtig eine inklusive und unterstützende Umgebung zu schaffen, in der Kinder ermutigt werden sich auszudrücken.
Methoden zur sozial-emotionalen Förderung für Kindern mit Sprachbarrieren
Pädagogische Fachkräfte können verschiedene Methoden in den pädagogischen Alltag integrieren, um die individuellen Bedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen und ihnen bei der Bewältigung von Sprachbarrieren zu helfen. Diese gezielten Maßnahmen unterstützen nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch die soziale Integration und das emotionale Wohlbefinden der Kinder.
- Routine und Struktur – Kinder können in alltägliche Abläufe eingebunden werden. Erklärungen können durch klare Sprache und Visualisierungen unterstützt werden. Dies hilft Kindern, ihren Alltag besser zu bewältigen und fördert die Zugehörigkeit. Klare Tagesabläufe und wiederkehrende Routinen geben Kindern Sicherheit und Orientierung. Besonders für Kinder mit Sprachbarrieren sind vorhersehbare Strukturen wichtig, da sie helfen, Abläufe zu verstehen und sich im Kita- oder Schulalltag zurechtzufinden. Die Kombination aus verbalen Erklärungen, Visualisierungen (z. B. Piktogramme, Bildkarten) und Handlungen ermöglicht es den Kindern, Bedeutungen aus dem Kontext abzuleiten. Dies fördert ihr Gefühl der Zugehörigkeit und reduziert Unsicherheiten.
- Schaffung unterstützender Umgebung – Kinder lernen am besten in einer Umgebung, die Sicherheit, Wertschätzung und Vertrauen vermittelt. Eine einladende Atmosphäre, die zum Erkunden und Ausprobieren anregt, ermöglicht Kindern mit Sprachbarrieren, sich aktiv einzubringen. Es liegt in der Verantwortung der pädagogischen Fachkräfte eine vertrauensvolle und unterstützende Umgebung zu etablieren, in der Kinder sich sicher genug fühlen zu kommunizieren. Sie sollten eine positive Kommunikationskultur etablieren, in der jedes Kind in seinem Tempo sprechen und sich ausdrücken darf. Durch bewusste sprachliche Unterstützung, wie einfache Satzstrukturen, langsames Sprechen oder Gestik und Mimik, fühlen sich Kinder ermutigt, an Gesprächen teilzunehmen und ihre Sprachfähigkeiten zu entwickeln.

- Stärkende Bindungen – Die Beziehung zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften spielt eine zentrale Rolle in der sozial-emotionalen Entwicklung. Eine sichere Bindung gibt Kindern emotionale Stabilität und ermutigt sie, sich auf soziale Interaktionen einzulassen. Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu anderen Kindern wird ebenfalls gefördert, indem Peer-Interaktionen bewusst initiiert werden. Kinder sollen die Möglichkeit bekommen, sich aktiv an Aktivitäten zu beteiligen, auch wenn sie sprachliche Unterstützung benötigen. Positives Feedback, ausreichend Zeit und Raum für die Kommunikation stärken ihr Selbstwirksamkeitsgefühl und erleichtern den sozialen Anschluss.
- Förderung von Selbstvertrauen und Resilienz – Kinder mit Sprachbarrieren benötigen gezielte Unterstützung, um Selbstvertrauen aufzubauen. Positive Verstärkung, wertschätzende Kommunikation und eine geduldige Haltung der Fachkräfte sind dabei essenziell. Offene Fragen und bewusstes Abwarten geben den Kindern Zeit, ihre Gedanken zu formulieren.
- Individuelle Aufmerksamkeit – Jedes Kind bringt unterschiedliche Stärken, Ressourcen und Bedürfnisse mit. Durch gezielte Beobachtungen können Fachkräfte individuelle Unterstützungsangebote entwickeln. Im Rahmen von interdisziplinärer Zusammenarbeit kann mit z. B. logopädischer oder ergotherapeutischer Fachexpertise eine strukturierte und effektive Unterstützung des Kindes erfolgen. Wichtige Aspekte dabei sind individuelle Förderpläne, regelmäßige Reflexion und eine Anpassung der Maßnahmen sowie Stärkung der Stärken und Talente der Kinder. Durch die ressourcenorientierte Förderung wird das Selbstbewusstsein gestärkt und die Kinder erfahren, dass sie trotz sprachlicher Herausforderungen erfolgreich sein können. Gemeinsames Feiern von Erfolgen schafft positive Erlebnisse und motiviert sie, weiter an ihrer sprachlichen und sozialen Entwicklung zu arbeiten.
- Entspannungstechniken – Sprachbarrieren können Stress und Frustration hervorrufen. Das Erlernen von Entspannungsübungen wie Atemtechniken, Achtsamkeitsübungen oder kleinen Ritualen hilft Kindern im Umgang mit Stress und Herausforderungen. Pädagogische Fachkräfte können kleine Entspannungsmomente in den Alltag einbauen, um emotionale Belastungen zu reduzieren und die Konzentrationsfähigkeit zu fördern. Dies erleichtert auch den Spracherwerb, da Kinder in einem entspannten Zustand aufnahmefähiger sind.
- Peer Unterstützung – Kinder lernen besonders gut voneinander. Durch gezielte Peer-Interaktionen wird die soziale Eingliederung gefördert. Rollenspiele, kooperative Aufgaben oder Gruppenspiele bieten Gelegenheiten, soziale Fähigkeiten zu erproben und Empathie zu entwickeln. Fachkräfte sollten diese Interaktionen bewusst anregen, indem sie Kinder gezielt in Gruppen zusammenbringen, die sich gegenseitig unterstützen können. Ein sprachsensibler Ansatz in der pädagogischen Arbeit berücksichtigt nicht nur die sprachlichen, sondern auch die emotionalen Bedürfnisse der Kinder. Durch eine gezielte sozial-emotionale Förderung können Kinder mit Sprachbarrieren langfristig in ihrer Entwicklung gestärkt werden und sich sicher in ihrer Umgebung bewegen.

Kinder dabei zu unterstützen ihre Emotionen zu erkennen, einzuordnen und auszudrücken, gehört zur Gestaltung des pädagogischen Alltags. Thematisch passende Bücher und Materialien unterstützen diesen Prozess. Sprachliche Herausforderungen sollten nicht als Defizit betrachtet, sondern als Chance zur Entwicklung gesehen werden. Die pädagogischen Fachkräfte dienen als Vorbilder, indem sie eine positive Einstellung gegenüber Herausforderungen vermitteln und gemeinsam mit den Kindern Lösungsstrategien entwickeln. Dies stärkt die Resilienz der Kinder und hilft ihnen, mit Schwierigkeiten umzugehen. Im Rahmen des ressourcenorientierten Ansatzes, können sie Kinder gezielt unterstützen, ihre Stärken und Talente zu erkennen und weiterzuentwickeln. Erfolge werden gemeinsam gefeiert und betonen, was Kinder gut können. Die Förderung der emotionalen Ausdrucksfähigkeit ist ein weiterer wichtiger Bestandteil der Resilienzbildung. Thematisch passende Bücher, verschiedene Erzählsituationen oder kreative Ausdrucksformen wie Malen oder Musik können dabei helfen, Emotionen zu erkennen, zu benennen und auszudrücken.
Spiele und Aktivitäten, die nonverbale Kommunikation, Zusammenarbeit und Empathie fördern, sind besonders geeignet.
Im Folgenden einige konkrete Spielideen:
- Tuchspiel – Die Kinder halten gemeinsam ein großes Tuch und balancieren darauf einen Ball oder Luftballon. Ziel ist es, den Ball durch gemeinsames Bewegen des Tuchs in der Luft zu halten, ohne dass er herunterfällt. Dieses Spiel fördert die Teamarbeit und nonverbale Abstimmung.
- Dreibein-Parcours – In Zweierteams werden die inneren Beine der Kinder mit einer weichen Schnur zusammengebunden, sodass sie gemeinsam auf drei Beinen laufen. Die Paare absolvieren einen Hindernisparcour und müssen dabei ihre Bewegungen koordinieren. Dieses Spiel stärkt die Kooperation und das gegenseitige Vertrauen.
- Tuch-Ruderspiel – Die Kinder sitzen hintereinander auf einem großen Tuch und simulieren gemeinsam das Rudern eines Bootes. Durch synchronisierte Bewegungen wird Teamarbeit und Rhythmusgefühl gefördert.
Diese Spiele unterstützen Kinder dabei, soziale Kompetenzen zu entwickeln und Sprachbarrieren zu überwinden, indem sie auf Zusammenarbeit und (nonverbale) Kommunikation setzen.
Vielfalt wertschätzen
Die Anerkennung und Wertschätzung der Heterogenitätsdimensionen, denen die Kinder zugehörig sind, stärken ihr Zugehörigkeitsgefühl und motivieren sie ihre Sprache zu teilen. Die Repräsentation der kindlichen Lebenswelten in der Kindertageseinrichtung und die Umsetzung einer Inklusiven Pädagogik unterstützt Kinder sich in ihrer Familiensprache und in ihrer Zweitsprache auszudrücken. Es stärkt das Selbstwertgefühl sich selbst und die eigene Lebenswelt in den Materialien und Ausgestaltung der Kindertageseinrichtung wiederzufinden. Kinder, die in Gebärdensprache kommunizieren, profitieren von Büchern, die diese Lebenswelt aufzeigen genauso wie von dem gezielten Einsatz wichtiger Gebärden im Alltag.
Die Erkenntnisse aus der bilingualen Erziehung weisen darauf hin, dass die Einbeziehung von mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften, Kinder unterstützt, sich zu verständigen und Sprachbarrieren zu überwinden. Die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt inklusive der Familiensprachen in Kindertagesstätten sind essenziell für die Förderung einer inklusiven und respektvollen Lernumgebung. Diese Maßnahmen würdigen nicht nur Vielfalt, sondern fördern ein respektvolles und inklusives Umfeld, das die Entwicklung aller Kinder fördert.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine inklusive und unterstützende Umgebung entscheidend dafür ist, Kindern mit sprachlichen Barrieren eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Reflektierte Fachkräfte spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie gezielt Rahmenbedingungen schaffen, die einen konstruktiven Umgang mit Sprachbarrieren fördern. Alle Kinder haben das Recht auf aktive Mitgestaltung und soziale Teilhabe, unabhängig von ihren sprachlichen Fähigkeiten. Durch den gezielten Einsatz mehrdimensionaler Kommunikationsstrategien können Barrieren reduziert und alternative Ausdrucksformen gestärkt werden.
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