Kommunikation mit Kindern in besonderer Bedarfslage – Unterstützte Kommunikation
Dies ist der zweite Beitrag in der Reihe „Kommunikation und Sprache mit Kindern in besonderer Bedarfslage“. Hier geht es zum ersten Beitrag.
Ein Beitrag von Sandra Gaßen
Nach der Definition von Edward Sapir ist die Kommunikation über das gesprochene Wort (der Lautsprache), nicht die einzige Form der Kommunikation unter Menschen. Gebärdensprache oder Körpersprache sind weitere Möglichkeiten der Kommunikation.
Kinder, die (noch) keinen Zugang zur gesprochenen Sprache haben, können vom Einsatz alternativer Kommunikationsformen profitieren. Durch die Anwendung einer mehrdimensionalen Kommunikationsstruktur kann der pädagogische Alltag in einer Kindertageseinrichtung barrierefreier gestaltet werden, was den Kindern mehr Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten ermöglicht. Kinder sind darauf angewiesen, dass sie über alternative Kommunikationskanäle verstanden werden und sich so ausdrücken können. Individuelle Wege der gegenseitigen Verständigung aufzubauen, zu erweitern und zu festigen, unterstützt zudem die Entwicklungsbegleitung der Kinder.
Es werden unterschiedliche Möglichkeiten aufgezeigt, welche die Entwicklung der Sprache unterstützen, wie alternative Kommunikationsmöglichkeiten nutzbar gemacht und wie diese im pädagogischen Alltag niedrigschwellig umgesetzt werden können. Der Begriff „Unterstützte Kommunikation (UK)“ ist hier von zentraler Bedeutung. Die Methode der UK beinhaltet körpereigene Gesten oder Gebärden und körperfremde Formen der Kommunikation. Diese sind u. A. Symbole, Piktogramme und technische Kommunikationshilfen. Ein früher Einsatz von Elementen aus der UK kann die Entwicklung des Sprachverständnis, der Sprachfähigkeit sowie der Lautsprache unterstützen und ermöglicht das Erlernen von Sprache und Kommunikation.
Visualisieren
Um im pädagogischen Alltag Pläne, Räume, Materialien für Kinder und Jugendliche zugänglicher zu gestalten, ist eine unterstützende Visualisierung und Veranschaulichung inhaltlicher Themen durch Fotos, Bilder, Zeichnungen, Symbole und Schrift hilfreich. Diese können gemeinsam mit den Kindern entwickelt und gestaltet werden oder es werden standardisierter Symbole oder Piktogramme von einem Anbieter genutzt All diese Materialien können helfen, um Abläufe zu symbolisieren, Räume zu benennen oder Spielmaterialien und Aufräumsysteme zu bezeichnen.
Die Symbole und Bilder können für eine längere Haltbarkeit laminiert werden und wie in den folgenden Beispielen auf Pläne, Materialkisten und Sortiersysteme befestigt werden.
Eine Methode zur Visualisierung und ein speziell für die Unterstützte Kommunikation gestaltetes Symbolsystem, ist METACOM. METACOM ist nicht nur ein Tool zur Visualisierung, sondern eine Bildsprache, die von Annette Kitzinger entwickelt wurde und seitdem stetig weiterentwickelt wird. Die über 17.000 METACOM Symbole können auf vielfältige Art und Weise als Kommunikationshilfsmittel und zur Strukturierung für junge und ältere Menschen mit und ohne Behinderung dienen.
Die Entlehnung aus den Konzepten zur Unterstützung der Kommunikation mit Hilfe von Bildern und Symbolen ist für Kinder entwicklungspsychologisch wichtig und recht niedrigschwellig für den Kita Alltag umsetzbar.
Individuelle visuelle Kommunikationshilfen sind zum Beispiel:
- Fotoalben oder Ringbücher, in denen das für die benutzende Person wichtiges Vokabular thematisch geordnet wird.
- Schuhkartons, Dateikästen, Boxen., in denen ein Gegenstand liegt, der jeweils eine bestimmte Aktivität repräsentiert. dienen der UK.
- Plakate, auf denen Fotos, Bildsymbole oder Buchstaben/Wörter aufgeklebt werden, können individuell genutzt werden.
- Plakate können themenbezogen an beispielsweisen Wickeltischen, Essplätzen, in Funktionsräumen etc. angebracht werden, um Abläufe zu symbolisieren.
Einzelne Bild- oder Wortkarten, die mit einem Karabinerhaken an der Kleidung befestigt werden, ermöglichen eine selbstbestimmte und mobile Kommunikationshilfe. Die kann direkt in einer Situation die Kommunikation unterstützen. In der Unterstützten Kommunikation wird diese Art von Kommunikationshilfe als nicht elektronischen Kommunikationshilfen bezeichnet.
Mimik, Gestik und Gebärden
Um gesprochene Sprache zu unterstützen und erweitern, nutzen Menschen in unterschiedlicher Ausprägung Gesten und Mimik. Diese sind in der Kommunikation mit Kindern, die auf die Unterstützung alternativer Kommunikationsformen angewiesen sind, hilfreich. Eine Geste zu nutzen und diese ausgeprägter neben dem gesprochenen Wort auszuführen, ist im Alltag ein einfaches Mittel zum besseren Verständnis. Eine ausgeprägte Mimik kann die Kommunikation von Gefühlen unterstützen.
Über diese beiden Möglichkeiten hinaus können Gebärden in die Kommunikation mit einfließen. Den Einsatz einzelner erlernter Gebärden wird als Lautsprachunterstütze Kommunikation (LUG) bezeichnet. Die Fachkräfte kommunizieren weiterhin in ihrer vertrauten Lautsprache mit den Kindern, nutzen dazu parallel einzelne Gebärden, um Schlüsselwörter gestisch darzustellen. Wichtig ist es dabei Gebärden aus dem Vokabular der Deutschen Gebärdensprache zu nutzen.
Apps, wie die Eis-App und andere Materialien können pädagogischen Fachkräften und Kindern einen einfachen Zugang zur Nutzung und zum (gemeinsamen) Erlernen von ausgewählten Gebärden ermöglichen. Eine Möglichkeit ist es im Morgenkreis oder gezielten Projekten die „Gebärde der Woche/des Tages“ einzuführen und sich zunächst auf Wortfelder zu beziehen, die im pädagogischen Alltag und für das Kind individuell vorrangig erscheinen. Die Kinder erlernen die Gebärde gemeinsam mit den Fachkräften durch die Anwendung im Alltag. Gebärdenplakate oder einzelne bildliche Darstellungen können zusätzlich unterstützend sein. Die Nutzung von Gebärden kann im pädagogischen Alltag und grundsätzlich in der Kommunikation von Bedürfnissen von Seiten des Kindes zum Tragen kommen.
Technische Hilfen
Technische Hilfsmittelsind ein weiterer Teilbereich der UK. Das Ziel ist es auch hier die Unterstützung sprachlicher Verständigung, Kindern wichtige Anhaltspunkte im pädagogischen Alltag anzubieten sowie die Kommunikation allgemein zu verbessern.
Für Kinder, die mit verschiedenen Familiensprachen aufwachsen, können Buttons/Buzzer oder „sprechenden Wände“ eine große Erleichterung im Alltag einer Kindertageseinrichtung sein, um sich zu orientieren und Sprachbarrieren abzubauen. Dasselbe gilt für “Interaktive Lerntrainer“ oder „Sprechende Piktogrammwände“.
Alle diese Hilfsmittel verfügen über eine Aufnahmefunktion, sodass Tagespläne, einzelne Abläufe oder Speisepläne ergänzend zu Schrift, Symbol und Bild mit sprachlich und zu gleich auditiv verfügbar gemacht werden. Informationen können in verschiedenen Sprachen aufgenommen werden und so nicht nur Sprachbarrieren bei Kindern abbauen, sondern auch Informationen wie den Speiseplan Familien zugänglich gemacht werden. Kinder und ihre Bezugspersonen einzubeziehen und die Familiensprache zu nutzen, führt zu mehr Teilhabe und Orientierung im pädagogischen Alltag. Die Einbindung der Eltern zur Besprechung von Buttons/Buzzer ist ein Zeichen der Wertschätzung der individuellen Lebenswelt von Kindern und ihren Familien.
„Sprechende Stifte“, wie TipToi Stifte oder Tellimero können eingesetzt werden, um Bücher zugänglich zu machen. Polylino ein lizensierter digitaler Bilderbuchservice, bietet eine Auswahl von Büchern in mehr als 70 Audio- und 40 Schriftsprachen, die sich in digitaler Interaktion über ein Tablet o.ä. erschließen lassen.
Für den pädagogischen Alltag können noch weitere elektronische Kommunikationshilfen genutzt werden. Talker sind Geräte, die Eingaben über die Tastatur oder über andere Eingabegeräte in Lautsprache oder Schriftsprache verwandeln. Diese werden besonders bei Kindern mit kognitiver Behinderung eingesetzt und unterstützen die Kommunikation.
Kinder mit Hörbehinderung, welche ein Cochlear Implantat haben oder Hörgeräte benutzen, können von einer FM-Anlage profitieren. Tonsignale, wie Musik oder Sprache, werden mit einer FM-Anlage durch Funkwellen drahtlos übertragen. Via Bluetooth empfängt die Hörhilfe, während die sprechende Person mit einem Mikrofon ausgestattet ist. So wird das Gesprochene direkt an die Hörhilfe übertragen. Dies vermindert Störgeräusche und verbessert das Verstehen und die Kommunikation für die Kinder. Diese Art von Kommunikationshilfe kann, wie andere Hilfsmittel, über die Krankenkassen beantragt werden.
Fazit
Die erläuterten Möglichkeiten im Rahmen visueller Darstellung, Unterstützung der gesprochenen Sprache durch Gestik, Mimik oder Gebärden und die Nutzung und Bereitstellung unterschiedlicher technischer Kommunikationshilfen, helfen Kindern zum einen den Ablauf und die Anforderungen des Alltags in der Kindertageseinrichtung besser verstehen und teilhaben können. Zum anderen erleben sie mehr Selbstbestimmung durch ihre Kommunikationshilfen, sie können ihre Anliegen auszudrücken und werden verstanden. Dies zu erreichen ist für das pädagogische Teams durch die vorgestellten Maßnahmen niedrigschwellig umsetzbar. Im Rahmen einer inklusiven und vorurteilsbewussten Pädagogik, Verständnisses und einer entsprechenden Haltung, sollte der Abbau von verschiedenen sprachlichen Barrieren ein Basisziel pädagogischer Teams in Kindertageseinrichtungen sein. Die Planung und Umsetzung solcher Maßnahmen ist immer am individuellen Bedarf unter Partizipation des Kindes und seiner familiären Bezugspersonen zu erfolgen.
Zum Weiterlesen
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Deutscher Gehörlosen-Bund e.V.