Familien vor Ort unterstützen
Ein Beitrag von Ileana Dilger
Unsere Kindertageseinrichtungen sind Begegnungsstätte, Ausgangspunkt für lebensbegleitende Freundschaften und Orte für kulturellen Austausch zugleich. Mit den täglich wiederkehrenden Kontakten sind sie Zentrum des Gemeinwesens, an denen sich ein Gefühl von „Zugehörigkeit und Eingebunden sein“ entwickeln kann. Gerade in Quartieren, die von sozialer Benachteiligung und Armut geprägt sind und in denen Eltern aufgrund von schwierigen Lebensumständen ihre Erziehungsverantwortung nicht ausreichend wahrnehmen können, ist die Verknüpfung von Kita und familienunterstützenden Angeboten daher besonders bedeutsam. Verschiedene Studien belegen, dass Bildungsungleichheiten nicht allein durch ein hochwertiges frühpädagogisches Angebot kompensiert werden können, sondern es ergänzend Angebote der Familienbildung und -unterstützung bedarf. Dabei kommt es vor allem auf die systematische Verzahnung einer guten Kita-Qualität mit Angeboten zur Stärkung elterlicher Erziehungskompetenz an. Gerade durch das abgestimmte Zusammenspiel von frühkindlicher und Familien-Bildung zur Steigerung der Anregungsqualität kann diese sogar nachhaltiger wirken als reine Elternbildungsprogramme.

Eine solche Verzahnung und Koordinierungsarbeit kann insbesondere in Einrichtungen in herausgeforderten Sozialräumen mit vielfältigen familialen Bedarfslagen nicht im normalen Kita-Betrieb erfolgen, sondern erfordert einer sozialpädagogisch qualifizierten, für diese Tätigkeiten freigestellten Fachkraft in Form von Kita-Sozialarbeit. Kita-Sozialarbeiter:innen kennen durch ihre Tätigkeiten sowohl die Kinder, das Kita-Team als auch die Eltern und können bei der Konzeption der Angebote direkt an den Themen der Kinder, Familien und der Kita anknüpfen.
Kita-Sozialarbeit: Ziele, Konzepte und Tätigkeitsfelder
Kita-Sozialarbeit ist ein zusätzliches Angebot innerhalb der Kindertageseinrichtung, das bei vielen Trägern, innerhalb von zahlreichen Projekten erprobt und in einigen Bundesländern bereits etabliert ist. Unter „Kita-Sozialarbeit“, „Sozialpädagogik in der Kita“, „Sozialraumorientierte Kita“ oder auch innerhalb von „Kinder- und Familienzentren“ zeigen sich dabei verschiedene Varianten der Ausgestaltung von Kita-Sozialarbeit: durch zusätzliche personelle Ressourcen entweder direkt in der Kita oder im Jugendamt angebunden, als befristetes Projekt in Kitas mit besonderen Herausforderungen oder sozialarbeiterisches Handeln als zusätzliche Aufgabe für pädagogische Fachkräfte.
Evaluationen zeigen, dass Kita-Sozialarbeit besonders wirksam ist, wenn der Arbeitsort die Kita selbst ist, um die Niedrigschwelligkeit im Sinne eines unkomplizierten Zugangs ohne Terminvereinbarung und der unaufdringlichen Präsenz zu sichern. Kita-Sozialarbeit zielt darauf ab, die Lebensqualität von Kindern und ihren Familien zu verbessern, indem sie soziale, emotionale und bildungsbezogene Unterstützung bietet. Zielgruppen sind die Kinder, ihre Familien sowie die Fachkräfte einer Einrichtung und im weiteren Sinne auch Akteure des Sozialraums. Kita-Sozialarbeit fungiert dabei als Bindeglied. Sie ergänzt den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Kita durch sozialpädagogische Angebote und Methoden und trägt damit wesentlich zu einer differenzierteren Professionalisierung in der Kindertageseinrichtung bei. Handlungsleitend für Kita-Sozialarbeit sind die sozialpädagogischen Paradigmen Prävention, Niedrigschwelligkeit, Partizipation, Lebenswelt- und Sozialraumorientierung.

Die konkrete Ausgestaltung von Kita-Sozialarbeit ist vielfältig und unterscheidet sich je nach Bedarfslage vor Ort. Grundlegend für die Wirksamkeit von Kita-Sozialarbeit ist darum auch eine regelmäßige Bedarfserhebung sowie Sozialraum- und Familienanalyse aus denen entsprechende konzeptionelle Rückschlüsse folgen. Wesentlich für eine effiziente und nachhaltige Kita-Sozialarbeit ist außerdem der Austausch mit dem pädagogischen Team vor Ort und die Öffentlichkeitsarbeit, um möglichst für alle Eltern sichtbar zu sein. Darüber hinaus lassen sich die Aufgaben der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in Kitas einteilen in:
Fallspezifische Arbeit: individuelle Beratung der Eltern zu finanziellen, familienorganisatorischen oder Erziehungs-Fragen, Unterstützung im Umgang mit Behörden, Begleitung und Vermittlung von Familien in andere Unterstützungssysteme, einzelfallorientierte sozialpädagogische Interventionen, fachliche Beratung der Fachkräfte in herausfordernden Situationen
Familienbildung und Arbeit mit den Eltern: Organisation niedrigschwelliger Angebote für Eltern, um sie in ihrer Rolle und Erziehungsfähigkeit zu stärken, Möglichkeit der Vernetzung untereinander zu bieten oder die familiale Anregungsqualität durch gezielte Informationsangebote zu Erziehungsthemen oder der kindlichen Entwicklung zu steigern, Unterstützung der Kommunikation zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften, Stärkung der Partizipation der Familien bei Prozessen der Kita
Kooperation und Vernetzung im Sozialraum: Lotsen, Netzwerk- und Brückenfunktion für Familien und Fachkräfte, Vernetzung der Eltern untereinander und innerhalb des Sozialraums, Vernetzung der Fachkräfte innerhalb des Hilfesystems (Hilfen zur Erziehung, System der frühen Hilfen, Zusammenarbeit mit dem Jugendamt, Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Quartiersmanagement, Familienzentren)
Themenbezogene Projektarbeit mit Kindern: Projekte oder Umsetzung von Angeboten zur Förderung der sozialen und emotionalen Entwicklung der Kinder, gezielte Aktivitäten wie Gruppenspiele, soziale Kompetenztrainings, Organisation und Koordination von Bildungsprojekten zum Abbau von Bildungsbarrieren (Nachhilfeprogramme, Bücher- und Materialausleihen, Ausflüge)
Arbeit mit und im Kita-Team: Sensibilisierung des Kita-Teams für die Ressourcen und Bedarfe der Familien und des Sozialraums, kollegiale Fallberatung, fachliche Hilfe zu bestimmten Themen und bei individuellen Problem- oder Bedarfslagen
Kita-Sozialarbeit braucht tragfähige finanzielle und politische Rahmenbedingungen
Für eine nachhaltig wirksame Kita-Sozialarbeit braucht es Qualitätsstandards und die politische Festschreibung struktureller Rahmenbedingungen, entscheidend sind insbesondere:
- Die auskömmliche Finanzierung für eine ausreichende Personalausstattung, um Kita-Sozialarbeit in allen Quartieren mit besonderen Bedarfen sicherzustellen sowie entsprechende Sachmittel, um eine arbeitsfähige Raum- und Technik-Ausstattung zu gewährleisten.
- Professionalisierung und Ausbildung von Kita-Sozialarbeiter:innnen durch ein entsprechendes Studienangebot, spezifische Weiterbildungsangebote und die Festschreibung von Qualitätsstandards.
- Forschung und Evaluation, um die Wirksamkeit von Kita-Sozialarbeit systematisch zu erheben und bewährte Praktiken zu identifizieren und zu verbreiten.
- Förderung der Zusammenarbeit zwischen Kita-Sozialarbeiter:innen, Lehrkräften, Eltern und anderen Fachkräften im Bildungsbereich, um eine ganzheitliche Unterstützung entlang der Bildungskette und eine sozialraumweite Koordinierung sicherzustellen.

Die Effekte von Kita-Sozialarbeit weisen weit über die Kita hinaus. Die Stärkung sozialer Elternnetzwerke und Vermittlung in bestehende Angebote im Umfeld können einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Quartiersentwicklung haben und sollten grundlegend bei einer nachhaltigen Stadtplanung mitgedacht werden. Das Positionspapier verschiedener Berliner Kita-Träger „Kita-Sozialarbeit-Meilenstein für ein chancengerechtes Aufwachsen und Teilhabesicherung!“ sowie der Umsetzungsvorschlag „Kita-Sozialarbeit Konzept, Leistungsbeschreibung, Finanzierung“ können als Orientierung für eine bundesweite Initiative für die Verstetigung von Kita-Sozialarbeit gelten.
Gastautorin
Ileana Dilger ist Leiterin der Abteilung Familienbildung bei FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbh
Verweise
Dieser Beitrag ist in der KINDgerecht – Magazin für frühkindliche Bildung 02/2023 erschienen: https://www.froebel-gruppe.de/publikationen/publikation/wie-bildet-man-eine-demokratie
Zum Weiterlesen
Policy Brief zum Projekt Chancengleichheit in Ehingen
https://www.froebel-gruppe.de/publikationen